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Radpartie zum Hainer See 2020

Geschrieben von Thomas Delling.

31.05.2020 8:00 Uhr 170,3 km 916 Hm+ 916 Hm- (Trainingsfahrt)

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Der von Tilo organisierte Pfingstausflug mit den Drahteseln steht an. Im siebenköpfigen Konvoi geht es dabei auf Umwegen zur Besichtigung des Hainer See's. Vor ein paar Jahren war dieses geflutete Tagebauloch sicherlich noch ein lohnendes Ausflugsziel, doch mittlerweile verleiht die fortschreitende Komplettversiegelung der Uferränder mit Wohnbunkern dem Ganzen etwas Ghettohaftes. Wir sind daher neugierig, welche neue Lückenbebauungen es seit dem Borna-Marathon vom November 2019 zu verzeichnen gibt - ein mit Spannung erwartetes Sightseeing für Öko-Katastrophentouristen.

Wie jeder Tag, beginnt auch dieser Sonntag mit dem obligatorischen Blick ins aktuell gültige Gesetzbuch. Keine Ahnung, welche Lockerungen die derzeitige Corona-Verordnung gerade wieder zugesteht. Man verliert da ja auch schnell mal den Überblick. Vielleicht ist daher von der Rennleitung der Start aller sieben Beteiligten so verstreut gelegt worden, um nicht mit diesem "Gesetzeswerk der Ungereimtheiten" in Konflikt zu geraten. Rein "zufällig" fährt man sich also in Chemnitz über den Weg, grüßt mit dem vorgeschriebenen Abstand und nimmt die Fährte des Vordermannes auf. Jedenfalls wird erst am Ortsausgang von Glauchau das Peloton (durch das Aufsammeln von Olaf und Ralf) komplett geschlossen und zur Weiterfahrt durchs Thüringische nach Leistungsklassen gestaffelt: vorn die Treibriemen Olaf und Ralf, ergänzt durch den nimmermüden Siggi, dahinter das Genießertrio um Ute, Andreas und Tilo und ganz hinten die rote Laterne (benannt nach der Gesichtsfärbung und deren Strahlkraft).

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In Glauchau ist noch alles i.O.!    /    In Neukiritzsch ist die Luft raus (zumindest aus dem Vorderreifen)!

Einen Bogen durch thüringische Flur ziehend, streifen wir sogar das Örtchen "Koblenz". Unser Zeitplan erlaubt es jedoch nicht, dabei nach dem "Deutschen Eck" Ausschau zu halten. Zu minutiös ist der Tagesablauf von Tilo gestrickt und wird zusätzlich durch einen Verhauer der vorauseilenden Sturm-und-Drang-Brigade arg in Bedrängnis gebracht. In Regis-Breitingen biegen wir wieder in Sachsen ein und treffen wenig später auf die öden Landschaftsformationen, welche ausschließlich in den vorangegangenen hundert Jahren von Menschenhand geschaffen wurden. Neben dem endlos erscheinenden Tagebau Vereinigtes Schleenhain wirkt auch die Braune Pleiße am Ortsrand von Neukieritzsch regelrecht künstlich erschaffen. Das Antlitz des Flußes erinnert dabei ein wenig an ein Stillgewässer in Amazonien, wo nur noch die (auf Radtouristen wartenden) Krokodile fehlen.

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Fotografen bei der Arbeit

Kurz vor unserem Ziel biegen wir in Kahnsdorf in eine Gastwirtschaft ab. Der Durst ist mittlerweile recht groß und dementsprechend richtet sich mein Fokus vorrangig auf das Behältnisvolumen, in dem das Bier serviert wird. Alles 0,33- und 0,4-Liter-Gebinde, außer irgendein Gose-Getränk, welches ich mir daraufhin bestelle. Ein sofortiges Veto von meinem Tischnachbarn ("Die Brihe kannste nij trinkng!" usw.) läßt den wartenden Kellner erstarren und mich umentscheiden. Es gibt also keine Experimente und der kleinere Krug Schwarzbier tut es zur Not eben auch. Es wäre allerdings auch nicht schlecht gewesen, wenn mein Nebenan die Auslegung des Zusatzes "Nach Art des Hauses" zur angepriesenen Gulaschsuppe hätte interveniert. Diese Mahlzeit besteht nämlich eher aus einer Gemüsesuppe mit (Hähnchen?-)Fleischbeilage. Dafür gibt es auf den anderen Tellern unseres Tisches leckere Wildschweinsülze oder Nudeln mit Lachs zur Stärkung.

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Sichtschneiße zum Hainer See   /   Bestenlistenkurs um die Gewässer

Noch ein paar verwinkelte Ecken durch das alte Kahnsdorf und dann ist es soweit: wir hätten jetzt freie Sicht aufs Wasser, wenn die Bebauung nicht so unverhältnismäßig wäre. Es wird also definitiv enger am See. Die Lagune Kahnsdorf hält zwar noch ein paar "Handtücher" Bauland (für 250 Euro/qm) in zweiter Reihe parat, ist aber dann eher 'ne Geschichte für Betonfetischisten als für Naturliebhaber. Auch auf der gegenüberliegenden Seite des See's ist im vergangenen halben Jahr viel "Natur" dem Bauwahn zum Opfer gefallen.

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31. Mai 2020   /    31. Mai 2021?

Doch nun wieder zurück zu unserem Tun. Auf der Mole zwischen Kahnsdorfer und Hainer See angelangt, waden wir mit unseren Stahlrössern zum Strand hinab. Es wird ein Bild geschossen, welches später die Familien-Fotoalben der Teilnehmer mit dem Verweis "Geschafft! Die Trans-Alp-Tour von Chemnitz zum Gardasee ist gemeistert!" beniemt wird. Wie hatte sich Tilo auf diese Ausfahrt über die Alpen gefreut? Wie viel Energie hatte er in Planung mit Hotelbuchungen sowie in die Vorbereitung an der Landkarte gesteckt? Doch für dieses Jahr war das alles nicht vorgesehen. Es sollte nicht sein! Nun hat er, nach allen Stornierungen und Umplanungen wenigstens eine Momentaufnahme, welche ihn diesen Sommer doch noch ein wenig in guter Erinnerung behalten läßt.

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Am östlichen Ufer und dem Übergang zum Haubitzer See ist (noch) keine Bautätigkeit im Gange. Die Bergwertung (beim Borna-Marathon der interne Bergsprint) findet daher auch unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Zum Glück! Als Letzter im Trupp weiß ich natürlich nicht, wer von der Spitzengruppe die Punkte geholt hat, dafür sieht aber auch niemand von denen, wie ich mit meinem geschulterten Zweirad die Hucke hochjogge. Oldschool im Laufschritt, habe ja nichtmal im Ansatz was mit den Rad-Mamil's am Hut!

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Windschattenfahrt   /   Bergwertung per pedes

Nun heißt es "Abschied nehmen" vom Erholungs-Hotspot Leipziger Neuseenland und seinem immensen Menschenauflauf. Es geht nun wieder auf einsame Landstraßen, die uns über Geithain und Wechselburg Richtung Heimat leiten.

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Tagebau bei Heuersdorf   /   Nikolaikirche Geithain

Trotz aller sportlichen Defizite, welche ich dem Radsport gegenüber noch hege, fällt mir das heutige Pedalieren nicht sonderlich schwer. Da war der Wettkampf(wieder)einstieg am Vortag beim 46-km-Geländelauf wesentlich fordernder. Statt schmerzender Gliedmaßen beim vielen Bergabgelaufe nimmt der Körper die (die Gelenke entlastende) Radtour wohlwollend mit. Schön, wenn wenigstens ein kleiner Fortschritt zu sehen ist, auch wenn die anderen Mitstreiter sportlich noch Galaxien entfernt sind.

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Lagebesprechung am Straßenrand   /   Lagebesprechung im Büro

In Cossen verabschieden sich Olaf und Ralf gen Burgstädt. Wir biegen ins Chemnitztal ab und sind dort bei einer (erfolgreichen) Treibjagd mit einem E-Biker recht flott unterwegs. Dort ist für die BLVer Siggi und Tilo laut Vereinssatzung ein Fahren unter 30 km/h (auch über die vereinsintern gefürchtete Wenzlau-Kuppe) nicht zulässig und würde einen Vereinsausschluß (oder zumindest das Konfizieren ihrer Fahrräder durch den Vorstand) nach sich ziehen. Das will natürlich niemand und deshalb müssen auch alle mitziehen! Auf dem Chemnitztalradweg ab Markersdorf haben wir dann wieder unsere Ruhe vor solchen Spielereien und lassen uns daher am ehemaligen Bahnhof von Köthensdorf noch 'ne Runde Bier und Bratwurst schmecken, ehe wir die restlichen Meter in Angriff nehmen.

In Chemnitz verstreut sich unser Quintett dann ebenfalls so unauffällig, wie es am Morgen zusammengefunden hat. Es bleibt nichtmal die Zeit, sich gebührend bei Tilo für diese herrliche Pfingstpartie zu bedanken - das sei hiermit nachgeholt.

Fotos: Tilo Kozlik (12), Siegfried Beyer (4), Thomas Delling (4)

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