26.04.2025 / 7:25 Uhr / 218,4 km / 395 Hm+ / 395 Hm- / kein Wettkampf
Die Sonne steht nun wieder höher am Himmel und die, dadurch erzielten höheren Tagestemperaturen wecken den jugendlichen Übermut in einem. Auch wenn das Saisonkennzeichen für Zweiräder schon wieder geraume Zeit gilt, bot sich bisher noch nicht die passende Gelegenheit vom Sofa aufs Stahlroß zu wechseln. So findet der erste Körperkontakt mit der Tretmühle eben erst Ende April statt. Den Jahresauftakt in die Radel-Saison bildet somit der Zweihunderter beim Spreewaldmarathon.
Nun kann man geteilter Meinung sein, ob es sinnvoll ist, sich gleich mit relativ großen Zahlen in den recht gewöhnungsbedürftigen Zirkus des Radfahrens zu stürzen. Der Kurs im Spreewald ist allerdings flach, wie eine Flunder und unter Wettkampfbedingungen muß man sich da auch nicht beweisen - ideale Voraussetzungen sich wieder mit dem eisernen Roß anzufreunden. Damit dieser Neueinstieg ins Fahrradfahren nicht gleich zu heftig wird, beschränke ich mich (wie im Vorjahr) auf das Kurbeln und Lenken. Die Schaltung bleibt außen vor, denn das kann man zu einem späteren Zeitpunkt ins Radtraining einbauen - wenn der Körper die „Basics“ erfolgreich verinnerlicht hat.
"Gruß aus dem Spreewald" - Ansichtskarte vom "VEB Bild und Heimat Reichenbach i.V." (1960-er Jahre)
Erleichternd kommt hinzu, daß man sich in einer relativ großen Gruppe an die neue Situation gewöhnen kann. Man ist demnach rundum geschützt und muß sich nur im Sog der anderen mitnehmen lassen. Zudem erübrigt sich das (teils aufwendige) Anfertigen von Standbildern, da diese dann (wie bei allen Veranstaltungen im Spreewald) nicht „über den privaten Gebrauch“ zu verwenden sind. Entweder man hat eine Einwilligung vom Veranstalter oder nimmt im Nachhinein mindestens 3.000 Euro in die Hand, um das Mißverständnis auszugleichen. Daher lege ich auch keinen Wert auf Bilder im Zusammenhang mit dem Spreewaldmarathon. Auf den alten Trick mit der Spreewaldmarathon-Finisherwand falle ich zudem auch nicht mehr rein. Warum sollte ich diese Falle (im Anschluß ans organisierte Sporttreiben) mitnehmen und ein Bild von mir anfertigen lassen, welches mich mit all dem spreewaldtypischen Radfahrermammon (Goldene Gurke, Helm, Sonnenbrille, Startnummer) zeigt, dieses jedoch nicht großartig rumgereicht werden kann/darf? Unter vorgehaltener Hand könnte ich dieses zwar meinen Kindern zeigen aber nicht dem Passanten auf der Straße. Für die Bebilderung dieses Artikels werden daher ausschließlich Fotos aus dem Archiv oder von außerhalb der Sportveranstaltung verwendet.
Spreewaldmarathon: Jede Menge Fahrräder in freier Wildbahn
Auch wenn ich jetzt keinen ganz großen Wert auf die vergoldete Spreewaldgurkenvariante lege, ist es wie mit dem Original. Wenn man z.B. die Spreewald-Gewürzgurken als Gaumenfreude für sich entdeckt hat und dann blöderweise eine Salzgurke erwischt (das ist mir beim Sonntagsfrühstück passiert - schrecklich!), passt man das nächste Mal besser auf. So ist es dann auch mit den Finisher-Gurken. Warum „Silber“, wenn man das Teil auch in „Gold“ bekommen kann? Der Aufwand dafür ist nur unwesentlich größer.
Bevorstehende Blutwäsche im Mannschaftsquartier
Freitagnachmittag wird es ernst. Nach einer verhältnismäßig streßfreien Anreise zur Unterkunft in Raddusch, erfolgt dort die Erstversorgung mit Elektrolyten (vom umtriebigen Mannschaftsarzt verordnet). Da dieses Doping im „Radteam Reisegruppe Kozlik“ zum guten Ton gehört, ziehen auch alle mit. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen - wenn einer bei der Dopingprobe positiv auffällig wird, dann gibt es kein Rumgedruckse, sondern ein kollektives Schuldeingeständnis. Transparenz ist in diesem außergewöhnlichen Radteam Pflicht!
"Spreewald" - Ansichtskarte vom "VEB Bild und Heimat Reichenbach i.V." (1960-er Jahre)
Zum späten Abend wird der aufgeschwemmte Magen mit wohldosiert gereichten, recht nahrhaften Häppchen beruhigt. Ebenso am folgenden Morgen - da beim Radfahren jedes Gramm (zuviel) zählt, wird auch hier schonend mit den Ressourcen (die das Buffet für alle Hotelgäste bereithält) umgegangen.
Rechtschreibfehler beim Wort "Ratsport" passieren immer wieder!
Recht gemächlich finden wir in den Sonnabend, denn wir haben viel Zeit. Unser Start in Lübbenau erfolgt erst (in der vorletzten Startgruppe) um 8 Uhr - die Anreise auf zwei Rädern ist daher verpflichtend! Bevor wir uns in die Sättel heben, muß ich noch den optimalen (altersgerechten) Gang einlegen, der den gesamten Tagesbedarf abdecken soll. In allem Überschwang des persönlichen Saisonstarts vergesse ich das Aufzeichnungsgerät zu aktivieren und so werden am Ende ein paar Meter fehlen.
Erneuter "Gruß aus dem Spreewald" - Ansichtskarte des "VEB Bild und Heimat Reichenbach i.V." (1960-er Jahre)
Das herrliche Frühlingswetter (sonnige 6°C) lockt relativ viele Radfahrer in den Startgarten von Lübbenau. Das war im Vorjahr (bei verregneten 1-2°C) etwas entspannter. Doch auch Radfahren scheint kein Wunschkonzert zu sein und so muß man wohl oder übel den Nachteil des Schönwetter-Massentourismus in Kauf nehmen.
Ohne HU in die neue Saison! Diese Handgriffe müssen demnach zu einem anderen Zeitpunkt aufgefrischt werden.
Pünktlich 8 Uhr geht es auf die Reise. Unterwegs schwelgen wir immer wieder in Erinnerungen an das naßkalte Vorjahr: Schlauch- und Mantelwechsel nach wenigen Kilometern, die vielen Tunnelblickabschnitte und natürlich die smarten internen „Bergwertungen“ (meist Autobahnbrücken). Alles plätschert so dahin, bis auf die Bergwertungen. Dort wartet unser „Kannibale“ im Trupp (in Anspielung an den siegeshungrigen Eddie Merckx) nur auf seine Chance, welche er gewöhnlich (seinem Pseudonym entsprechend) erbarmungslos nutzt.
Beim Spreewaldmarathon 2024 stand uns das Wasser bis zu den Knien
Doch dieses Jahr hat er sich bei der wichtigsten „Bergankunft“ verkalkuliert und nicht mit so unverfrorener Hartnäckigkeit der Konkurrenz gerechnet, bei der sich ein Jahr lang berechtigter Frust aufgestaut hatte. Bei der 2024-er Ausgabe hatte unser Bergkönig sicherlich bei der oben angesprochenen HU an seinem Pneu (die aufgrund klammer Finger und unpassendem Zubehör viel Zeit in Anspruch nahm) zu lange Kälte abbekommen und schwächelte ungewohnterweise. Seine zwei Mechaniker versuchten sich demnach als „Wasserträger“, um ihn in dieser Phase wieder aufzubauen. Dann passierte, was immer passiert, wenn eine Steigung den Trott aufwertet - und da unterstellt ihm niemand Böswilligkeit oder Vorsatz, nein, es war sein Instinkt. Der Schalter im Kopf war voll funktionsfähig und so ließ er seine zwei Edelhelfer am „Bergfuß“ stehen, nahm die Bergwertung süffisant lächelnd mit und fuhr von dannen. So etwas kann selbst das stärkste Radfahrer-Ego nicht verdrängen und so sah sich einer der beiden Geschmähten in diesem Jahr gezwungen, dies zu rächen.
Viele Hände, schnelles Ende! - "Teamwork" bei der Vorbereitung zum Bergwertungscoup?
„Mr. Bergwertung“ wird von ihm aus dem hinteren Teil an die Spitze unserer Gruppe eskortiert und dann sich selbst überlassen. Seines Sieges sicher rechnet der „Kannibale“ nun nicht mehr mit einer Attacke, hält aber die Trittfrequenz konstant hoch. Doch zwölf Monate angestauter Frust ermöglichen dann doch den notwendigen Ruck. Es entwickelt sich daraufhin ein erbitterter Kampf (bei dem von den dahinter Fahrenden sogar Verformungen der Hinterräder wahrgenommen wurden) mit dem siegreichen Ende für den Herausforderer. Sportlich fair erkennt der Unterlegene die letztendlich unabwendbare Niederlage an, während der Siegreiche diesen Erfolg seinem 2024 mitgedemütigten Kollege widmet.
Isotonischer Tagesausklang
Damit ist eigentlich alles Wichtige der Tour erzählt, denn die üblichen „Hauptuntersuchungen“ an den Pneus oder gar sportliche Totalausfälle gab es diesmal nicht. Im Anschluß an den sportlichen Teil des Tages gibt es noch einen mannschaftstypischen Ausklang am Radduscher Hafen. Dort wird der arg geschundene Elekrolythaushalt wieder halbwegs stabilisiert und der Tour-Klassiker „Ich steh’ auf der Brücke und spuck’ in den Kahn (da freut sich die Spucke, daß sie Kahnfahren kann)“ an der nahen Fliesbrücke von einem Teammitglied zum besten gegeben. Jeder normale Mensch, vielleicht auch Radfahrer, würde bei so einer Aktion vor Scham im Erdboden versinken wollen - doch uns ist das völlig egal, schließlich ist dies das Sahnehäubchen auf einen wunderschönen Radausflug durch den Spreewald. Für einen Saisonauftakt kann es gar nicht besser laufen (fahren).
Das Horrorszenario einer Kahnfahrt: wenn jemand auf der Brücke steht