26.12.2019 | 9:45 Uhr | 13 km | 225 Hm+ | 225 Hm- | (Gruppenlauf) |
Einst demonstrierte der Burgstädter Laufverein seinen gelebten "Einklang mit der Natur" nur durch das Tragen leuchtgelber Kartoffelkäfer-Kostüme - deklariert als so eine Art Vereinskleidung. Das mit so einem billigen Marketing-Gag zu diesem sensiblen Thema noch jede Menge Luft nach oben war, dürfte den Vereinsverantwortlichen klar gewesen sein. Daher entschloß man sich im Jahresverlauf ein weiteres typisch Burgstädter Landschaftsmerkmal mit in das Vereinsleben einzubauen: die von Buchdrucker & Co. kahlgefressenen Fichtenbestände in deren Trainingsorbit gaben dabei den entscheidenden Ausschlag. In Anlehnung an das Fraßbild des Borkenkäfers wurden die Streckenvarianten für den Fettverbrennungslauf auf ein vielfaches des bisher möglichen ausgeweitet und damit ein Wegenetz geschaffen, welches (bildlich auf eine Landkarte gelegt) fast identisch mit den Larvengängen und dem Ernährungsfraß des Ips typographus daherkommt.
Fettverbrennen darf auf keinen Fall weh tun! Dieses Gebot steht über allem. So wird gleich zu Beginn der riesige Schwarm von BLV-Kartoffel- und "auswärtigen" Borkenkäfern in allerhand Kleinstgruppen aufgegliedert, welche wiederum eine annähernd gleiche Belastungsfähigkeit deren Mitglieder aufweisen. Diese Gruppen spalten dann unterwegs weiter auf, da es zum Streckenverlauf unterschiedliche Interpretationen gibt. Die 13-km-Truppe zerfällt schon ziemlich früh am Tage. Der erste Anstieg von der Heiersdorfer Kläranlage Richtung Helsdorf läßt dabei ein paar Hanseln zurück, welche nun sich selbst überlassen sind. Am Steinernen Tisch kapseln sich die nächsten ab und an der Zwickauer Mulde gibt es die Variante des Anstiegs (vereinsintern "Brecher" genannt) oder die illegale Wegführung am Ufer. Die Verzweigungen nehmen also ständig zu und die Kartoffelkäfer- resp. Borkenkäferplage ist somit recht schnell auf dem Landstrich zwischen Burgstädt, Chursdorf und Rochsburg verteilt.
Der Tag beginnt im Süden von Chemnitz recht feucht, es regnet und ein ungemütlicher Wind pfeift übers Land. So ein Wetter haben die Burgstädter nun wirklich nicht verdient - so die einhellige Meinung auf der Fahrt nach Heiersdorf. Als jedoch kurz vor Burgstädt der Himmel aufreißt und sich sogar die Sonne blicken läßt, verharren wir stur auf unserer Meinung: das haben die Burgstädter nun wirklich nicht verdient!
Heute sind wir mal spät dran - Fahrer Jens kennt nun mal als "Geflügelzüchter im Einklang mit der Natur" nur die groben Tageszeiten, welche ihm Sonne, Mond und Sterne suggerieren. Bei bedecktem Himmel stellt dies für ihn so eine Art Stromausfall am Radiowecker dar, deshalb gibt es auch keinen Vorwurf von Ute und mir, als er erst kurz vor Veranstaltungsbeginn am vereinbarten Abfahrtsort eintrifft. Eine viertel Stunde haben wir nun noch ... Jens muß seinen Diesel mal so richtig die Sporen geben! Da wir zu dritt sind (und jeder von uns auch einzeln mit einem Dieselfahrzeug nach Heiersdorf aufbrechen könnte), hat Jens freie Hand. Er kann nun das theoretisch dreifache an Stickoxid hinter sich zum Auspuff 'rausblasen, wie er es sonst handhabt, und würde immer noch im Limit agieren, in seinem Einklang mit der Natur, sozusagen.
An der Heiersdorfer Kläranlage macht sich indes Unruhe breit. Man wartet vergeblich auf die Fuhre aus Chemnitz, fühlt sich verarscht. Ja, liebe Burgstädter, so ging es uns im Vorjahr, als wir an diesem gruseligen Ort ausharrten und ihr noch eu're Schuhe unter'm Frühstückstisch hattet. In diesem Punkt herrscht nun Gleichstand ... und daher Übergang zum Alltag! Jedenfalls dürfen wir mit auf das Mannschaftsbild, welches traditionell vor dem Lauf auf dem Klettergerüst des Klärgruben-Spielplatzes geschossen und dann als Aufmacher im Burgstädter Anzeiger Verwendung finden wird.
Fünf Minuten später setzt sich das Feld aus Fitness-Freaks und Balance-Workout-Nerds in Bewegung. Keine Kraftanstrengung, kein Schwitzen, kein Garnichts! Schon mehrfach hat sich die Redaktion von waldundwiesensport.de in den Vorjahren unbemerkt unter diese illustre Truppe mischen können - jedoch nie auch nur den Ansatz einer sog. Fettverbrennung wahrnehmen können. Es ist so surreal, so unwirklich! Es ist eine große Irreführung! Ein Fettverbrennungslauf ohne Fettverbrennung ist wie ein Kartoffelkäfer ohne BLV-Trainingsjacke oder ein Marathon-Finish ohne Zeitbegrenzung. Nebenbei erfahre ich vom "Gänsebraten-Appetitanregungs-Lauf" vom Vortag oder dem geplanten Jahresausklang mit dem "Gute-Vorsätze-Lauf". Auch ein sogenannter "Adventskalender-Lauf", bei dem das Datum die zu absolvierende Tagesration in Kilometern darstellen soll, wird besprochen. Sicherlich auch alles nur Schall und Rauch, kurz gesagt: Hokuspokus, der nach außen hin eine in allen Lagen gefestigte Sportskanone darstellen soll - lebend im Einklang mit dem Laufsport, als ursprüngliche Fortbewegungsform der Menschheit!
Zum Glück finden sich im Anschluß an die sternförmige Ganggestaltung auf der hiesigen Flurkarte alle wieder am Ausgangsort ein. Weihnachtsgebäck, Glühwein, Bier und diverse Hochprozentige werden nun angeboten. Naja, kein Fett verbrannt, dafür aber bei den Kohlenhydraten zuschlagen ... und wo kann man das besser (zumal man auch kein Fahrer ist), als bei der Kohlenhydrat-Flüssigform des Wodkas? Auch wenn der "Russische Standard-Wodka" nicht aus der Hauptmahlzeit des Kartoffelkäfers, sondern aus dem Winterweizen der russischen Steppe hergestellt wird, scheint er ein gern gesehenes Wettkampfgetränk der Burgstädter zu sein. Aber auch der edle Schnaps, welcher mit Kräutern aus regionaler Freilandhaltung angesetzt wurde, ist nicht zu verachten. Beim Bier und Glühwein verzeichnet der Sommelier ebenfalls keine Abstriche - daher: volle Punktzahl im Gastronomiebereich!
Auch wenn die Veranstaltung völlig am vorgegebenen Thema vorbeilief, war der Fettverbrennungslauf wieder ein voller Erfolg für den Burgstädter Laufverein und seine Gäste. Nun gilt es aber auch, auf dem Gebiet der ganzen Naturverbundenheit des BLV weiterzumachen. So soll (wenn ich es nach dem fünften Schnaps richtig verstanden habe) im nächsten Jahr (nach Kartoffel - und Borkenkäfer) ein weiterer Schädling im Vereinsportfolio auftauchen. Die Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris), die vor allem Kleingärtnern das Leben zur Hölle macht, soll als Zug- und Bremsläufer auf dem verzweigten Netz der Fettverbrennungslauf-Routen herhalten. Individuen dieser Nacktschnecke passen nämlich optisch, durch ihre orange Signalfarbe, schon mal bestens zu den neongelben Burgstädtern ... und auch tempomäßig unterscheiden sich die neuen Vertragspartner nicht grundlegend. Diese Info geht jetzt allerdings nur unter Vorbehalt 'raus. Wie schon erwähnt - die Wahrnehmung durch die flüssigen Kohlenhydrate hat sicherlich etwas gelitten und somit nicht alles richtig gedeutet.
Datenflut vom 11. Fettverbrennungslauf am 26.12.2018:
Datenauswertung vom 12. Fettverbrennungslauf am 26.12.2019: