02.09.2017 | 10:00 Uhr | 24 h | 2.048-m-Runde | 6 Hm+ | 6Hm- |
Nach mehrwöchiger Wettkampfabwesenheit ruckt es nun wieder an! Aber nicht sachte! Nein, es geht gleich in die Vollen! Ein uns bekannt monotones, physisch und psychisch recht anspruchsvolles, vierundzwanzigstündiges Kilometerschrubben hält der Wettkampfkalender am ersten Septemberwochenende nun für Ute und mich bereit. In den letzten sechs Jahren waren wir stets Ende August, Anfang September entweder in Chamonix oder Courmayeur, um dort Distanzen und diverse körperliche Unannehmlichkeiten zu bewältigen, welche so einen 24-Stundenlauf locker in den Schatten stellen. Wir dürften daher im "Rhythmus" sein, auch wenn man beide Geschichten nicht direkt miteinander vergleichen kann!
Die Deutsche Meisterschaft der DUV im 24-Stundenlauf findet in diesem Jahr an besagtem UTMB-Wochenende statt. Das bedeutet, daß sich alle wettkampfvorbereitenden Maßnahmen der Woche auf Null reduzieren und letzte Trainingsreize maximal durch das Verfolgen des (am Montag) gestarteten La Petite Trotte a Leon (am Rechner) gesetzt werden. Da hockt man dann schon mal stundenlang vor der Kiste und versucht des Abends die tagtäglichen Geschehnisse rund um den Mont Blanc mittels Videos und Zeittabellen nachzuvollziehen. Auch der Start des Ultra-Trail du Mont-Blanc am Freitagabend, welcher mit allem Drum und Dran live im Internet übertragen wird, zieht den UTMB-Abstinenzler in seinen Bann und lenkt so ganz gekonnt vom eigentlichen Dilemma ab. Die Faszination, welche von diesem sportlichen Jahreshöhepunkt ausgeht, ist immer wieder enorm. Da wird von mir jedem Wetterumschwung und jeder Streckenänderung am "Weißen Berg" mehr Bedeutung beigemessen, als dem eigenen Vorhaben.
So bleibt meine Informationspolitik über den Wettkampf in Gotha eher bescheiden. Es soll am Sonnabend regnen, aber das hatten wir ja im Vorjahr zur DM auch über 19 Stunden lang und dürfte daher zu verschmerzen sein. Zudem ist der Rundkurs von der IAU mit dem Bronze-Label ausgestattet, genau wie die flache Strecke in Basel, auf der das nationale Kräftemessen 2016 stattfand. Die Startliste verzeichnet zwar die Titelträger der letzten Jahre (Stu Thoms und Antje Krause) sowie mit Florian Reus den Weltmeister von 2015 - sie ist für mich jedoch belanglos, da es mir bei den deutschen Titelkämpfen einzig um ein gutes Wettkampfergebnis gehen kann. Dies würde für mich mit einer "Zwei" beginnen, wie in Basel, als ich 201 Kilometer beim Protokollanten vorlegen konnte.
Nun läuft es ja mit dem Sporttreiben in diesem Jahr recht holprig bei mir. In der Prioritätenliste meines Alltags ist der Laufsport um einige Positionen nach hinten gerutscht. Es gibt zwar einen Trainingsplan, der jedoch nur sehr bruchstückenhaft von mir abgearbeitet wird. Schnelle Einheiten kenne ich mittlerweile nur noch vom Hörensagen und die langen Sachen finden auch nur noch spartanisch statt. Seit dem Grantrail Courmayeur bin ich daher mehr mit dem Rad, als zu Fuß unterwegs gewesen. Dabei mußte ich das Radfahren sogar erst wieder erlernen, weil ich so lange nicht mehr auf der Tretmühle gesessen habe. Doch mit ein paar Hundert-Kilometer-Radtouren hat man noch lange nicht den Trainingsrückstand vom Laufen wettgemacht. Vielleicht tut diese Erholungsphase dem Körper auch mal ganz gut - nur ist dieser Faulenzer-Abschnitt eben schon recht ausgedehnt. Doch der 24-Stundenlauf wird sicherlich die passende Antwort auf meine Trainingsintensität parat halten.
Der Start am Schloß Friedenstein in Gotha ist für 10 Uhr ausgeschrieben. Somit wird die knapp 180 Kilometer lange Anreise des Morgens getätigt. Wir haben genügend Zeit uns an der Strecke häuslich einzurichten. Der Platz in der dafür vorgesehenen Zone ist zwar schon mit allerlei Mannschaftspavillons belegt, jedoch besteht ja auch die Möglichkeit außerhalb dieses Bereiches seine sieben Sachen an der Laufstrecke zu positionieren. Dort ist zwar "Hilfe durch Dritte" untersagt - was für uns, wegen fehlenden Betreuerstabes, belanglos ist. Zirka 200 Meter vor dem Rundendurchlauf nisten wir uns neben dem Zelt des ESV Lok Zwickau und dem Tisch von Jens Walther unter einem Bergahorn ein: ein Klapptisch mit zwei Stühlen, darunter die Kisten mit Wechselkleidung und -schuhen, dazu noch etwas Eigenverpflegung (Nußmischung, Riegel, diverse Biere und Biermischgetränke, Apfelschorle).
Schon beim ersten Inspizieren des Kurses, welcher in einem Halbbogen um das Schloß durch den denkmalgeschützten englischen Garten gelegt ist, stechen dem Betrachter leichte Steigungen und kleine Kanten beim "Belagwechsel" ins Auge. Im normalen Wettkampfleben stellt dies nichts Verheerendes dar, nur eben bei einem Tagesritt auf eben diesem Geläuf. Da werden mit zunehmender Dauer Bordsteine zu Stolperfallen und leichte Anstiege bzw. sachtes Bergab zu echten Herausforderungen für die Oberschenkel. Aber vielleicht ist das auch nur bei mir so? Jedenfalls wird ein "kritischer" Übergangspunkt von Splittweg auf Kopfsteinpflaster noch in der ersten Stunde des Wettkampfes fachmännisch mit Sand und einem Stück Kunstrasenteppich neutralisiert. Die veranstaltenden Vereine "Lauffreunde Gotha" und "Lauffeuer Fröttstädt" sind wirklich hervorragend auf die Meisterung dieser Meisterschaft eingestellt und bringen so die Erfahrung aus ihren bisher organisierten Landschaftsultras professionell ein.
Die Strecke ist 2.048 Meter lang und beginnt auf Kopfsteinpflaster mit dem Durchlauf des Verpflegungszeltes. Daran schließt sich leicht abfallend ein Abschnitt mit Betreuerzelten zur Linken und Mobiltoiletten zur Rechten an. Rechts biegt danach eine leichte Steigung auf den Elsa-Brandström-Weg ab, welcher flach in den hinteren Teil des Schloßgartens führt. Kurz vor dessen Ende formt eine Öse den Rückweg auf dem Landgraf-Balthasar-Weg zum Brandström-Weg. Unter den Brücken der Nordost- und Nordwestrampe hindurch, an Sanitäts- und Schlafzelt am Denkmal Ernst des Frommen vorbei, gelangt man in den westlich gelegenen Teil des Parks. Dort nimmt der Kurd-Laßwitz-Weg, leicht profiliert, eine größere Schlaufe, welche auf die Lindenallee und weiter "hinauf" zur Rundenmessung führt. Danach stehen 11 Minuten und 40 Sekunden für meine Runde auf der Anzeigentafel. Etwas zu schnell für meinen persönlichen Plan, aber dem Strom der 155 Teilnehmer kann man anfangs nur schlecht entfliehen. Mit Zwischenzeiten von 11:25 bis 12 Minuten laufe ich mich auf den ersten 17 Runden warm. Das Gefühl ist gut und eine Atmung ist bei mir kaum zu vernehmen. Danach pendle ich mich im angestrebten 6-Minuten-Schnitt ein und nach 4:04 Stunden ist der erste Marathon geschafft. Alles ganz leicht und ohne Probleme!
Bis Kilometer 65 hält der Sechser Schnitt und nur ein paar längere Standzeiten an der Verpflegung drücken diesen etwas nach unten. Den imaginären Rennsteig (73,5 km) habe ich nach 7:34 Stunden abgelaufen und der Doppel-Marathon steht später mit 9:03 Stunden zu Buche. Das bedeutet, meine zweite Marathondistanz des Tages geht mit 4:59 Stunden weg. So langsam wird es eng, mit dem persönlichen Ziel! Es ist eigentlich schon nicht mehr zu erreichen. Die Muskulatur wird schwer und immer wieder gönne ich mir Gehpausen oder längere Stops an der offiziellen oder der privaten Verpflegung. Der Hunderter sollte nach 10:45 zu den Akten gelegt werden - in meinem Zustand jedoch utopisch. Mit Franzbranntwein versuche ich die Oberschenkel wieder etwas zu stimulieren - es gelingt nur bedingt, maximal zwei Runden hält die "Verarsche", dann geht das Elend von vorn los. Nach 10 Stunden und 45 Minuten habe ich gerademal 95 Kilometer auf der Uhr - zu wenig, um die 200 (realistisch gesehen) noch zu schaffen. Ich überlege, aufzuhören. Doch das wäre dann, nach Reichenbach 2016, der zweite 24er in Folge, der nicht von mir beendet wurde. Ute hat allerdings auch zu kämpfen - mit der Achillessehne.
Wir sprechen uns dahingehend ab, daß wir jeweils unsere Hundert noch voll machen und dann dem Spuk ein Ende bereiten. Es ist 21:45 Uhr, also kurz vor'm Bergfest, als ich 100,352 Kilometer an der Anzeige in meiner Spalte lese - Ute muß allerdings noch drei Runden absolvieren, welche ich mit ihr dann gemeinsam noch zu Ende bringe. Es fällt wiederum schwer, einen Lauf abzubrechen. Das hatten wir aber schon vorher besprochen, daß es nun für uns noch komplizierter wird, einen 24-Stundenlauf erfolgreich zu beenden. Vielleicht ist es aber auch nicht mehr unsere Sportart? Vielleicht war das Training doch nicht ausreichend für so eine Tortur? Vielleicht fehlt uns mittlerweile die Bereitschaft zum stupiden Abspulen von Runde um Runde? Eine zweite Hälfte unter den gegebenen Umständen scheint jedoch völlig unvorstellbar. Den Rest zu Ende wandern? Nein, dann lieber haben wir gar kein Ergebnis! Und so geschieht es dann auch ...
Ergebnis Deutsche Meisterschaft im 24-Stundenlauf:
Männer: 118 (davon 105 DM-Mindestanforderung) | ||||
1. | Leuze, Marcel | Laufwerk Hamburg | 1. M30 | 240,672 km |
2. | Wilsdorf, Stefan | LAC Rudolstadt | 1. M20 | 234,894 km |
3. | Thoms, Stu | LG Nord Berlin Ultrateam | 1. M50 | 230,713 km |
4. | Flock, Peter | Lauffeuer Fröttstädt | 1. M45 | 229,376 km |
5. | Tuna, Manuel | TSG Helberhausen | 2. M50 | 219,438 km |
6. | Hecker, Toni | Ultra Sport Club Marburg | 2. M30 | 216,194 km |
99. | Delling, Thomas | LV Limbach 2000 | 18. M45 | 106,496 km |
Frauen: 36 (davon 31 DM-Mindestanforderung) | ||||
1. | Krause, Antje | Ultra Sport Club Marburg | 1. W45 | 219,171 km |
2. | Fatton, Julia | TV Rheinau 1893 | 2. W45 | 210,636 km |
3. | Koch, Nadja | SCC Scharmede | 1. W30 | 200,704 km |
4. | Heinlein, Marika | 1. FC Geesdorf | 1. W55 | 193,629 km |
5. | Bergmann, Heike | LG Nord Berlin Ultralauf | 2. W55 | 181,517 km |
6. | Tüg-Hilbert, Katrin | LG Ultralauf | 1. W45 | 175,108 km |
31. | Herfurt, Ute | LV Limbach 2000 | 5. W50 | 100,352 km |
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