15.03.2020 | 8:40 Uhr | 47,2 km | 1.264 Hm+ | 1.264 Hm- | (Trainingslauf) |
Die fünfte Einsiedel-Umrundung ist als weiterer, unverzichtbarer Baustein im Gebilde der Vorbereitung auf die bevorstehenden Frühjahrswettkämpfe zu sehen, bei denen neben der längeren Distanz auch ordentlich Höhenmeter abzuarbeiten sind. Doch dieses Jahr lassen unsichtbare Kräfte die Uhren anders ticken! Nach der Absage der Jurasteig-Runde (239 km mit 7.500 Hm+) am Freitag (dem 13.), bleiben uns nur noch die "Unterdistanzen" in Zittau (50 km mit 1.444 Hm+) und Eisenach (73,9 km mit 1.867 Hm+) übrig. Aber auch bei diesen beiden Veranstaltungen ist es nur noch eine Frage von Tagen oder Stunden, um ihr diesjähriges Aus verkündet zu bekommen. Was macht man also, in einer Zeit, in der das komplette Leben gen Null gefahren wird? Stellt man dann auch den lästigen Trainingsbetrieb ein?
Vielleicht ist es ja sogar nur das Training, welches uns im verbleibenden Jahr zugestanden wird? Vielleicht nichtmal das, oder zumindest nur stark eingeschränkt? Wir müssen also diesen Trainingstermin wahrnehmen, denn für den kommenden Abend ist schon wieder die nächste behördliche Verkündung zum Covid-19-Thema anberaumt. Lockerungen der bisherigen Einschränkungen sind dabei jedoch nicht zu erwarten.
Mit Siggi und Steffen, dessen Jahreshöhepunkt auf Madeira (115 km mit 7.100 Hm+) in der Vorwoche auch schon gestrichen wurde, machen wir uns zu viert auf den Weg. Es wird im Gegensatz zur letzten Austragung jedoch einige schweißtreibende Zacken mehr geben. Diese wurden erst ein paar Tage zuvor von Ute und mir läuferisch erkundet. Damit soll die Anzahl der bisherigen 1.161 Höhenmeter nochmal etwas nach oben korrigiert werden.
Zur allgemeinen Erwärmung dient der Bogen durch den Altchemnitzer Wasserwerkspark, danach bringt uns der Zwönitztal-Wanderweg zum Fuße des Erfenschlager Gutsberges. Dort, wo sich früher Deutschlands erste Skisprungschanze "mit Kunstlicht" (geweiht am 6. Dezember 1925, ab 1928 mit Beleuchtungsanlage) befand, ist der erste steile Anstieg unserer Runde angeschlagen. Dort, wo der damals 16jährige Einsiedler Rolf Böhm am 6. März 1935 mit 32 Metern eine später nie wieder erreichte Weite sprang, kämpfen wir uns nun zwischen Aufwuchs und stämmigen Rotbuchen aufwärts. Seit knapp 60 Jahren ruht der Sprungbetrieb am Nordosthang des Gutsberges, wo nur noch das dafür geschulte Auge Konturen dieser Art des Wintersports im Wald entdeckt. Dort, wo sich früher bis zu 1.500 Zuschauer einfanden, um Sport zu gucken, nimmt heutzutage niemand von unserem Tun Notiz. Für uns ist dies natürlich ein Glücksfall, denn der körperliche Verfall während des kurzen Aufstiegs ist enorm und zur öffentlichen Zuschaustellung nicht geeignet.
Eine kleine Erholung bietet der Plattenweg zur "Pappel", welche wir jedoch erst nach einem großen Umweg durch den Eibischbusch bis hinab nach "Angst 'n Bang" und hinüber zur "Siedlung" von Einsiedler Seite aus erreichen. Durch die Alte Harth wird danach erstmalig Harthau angelaufen. Vor der ersten Bebauung biegt der Pfad über den Alte Harthbach Richtung Pfarrhübel ab, um auf Bettelmannweg und Schindlerweg wieder die Ortslage von Harthau anzusteuern. Ein Bogen, vorbei am Harthauer Waldhaus und an der Berbisdorfer Kirche bringt uns dann gar ein drittes Mal auf dem Hübnerweg ins Würschnitztal nach Harthau.
Entgegen der Rund-um-Chemnitz-Strecke nehmen wir danach den Anstieg hoch zum Harthwald. Vorbei an der "Bürgermeister-Bank" (mit Talblick) und den später anschließenden Kleingärten, verlassen wir diesen an dessen südwestlichen Ende auf dem Eisenweg nach Klaffenbach. Dort nimmt ein welliger Pfad zwischen Golfplatz und ehemaligen Mühlgraben Kurs Richtung Wasserschloß. Vorbei an der Pferdekoppel und den Bebauungen von Adorfer und Rödelwaldstraße, folgt der mühsame Anstieg zum Eisenweg, der uns über die B95 zum Niclasberg bringt. Das Feld ist dort noch recht aufgeweicht und erschwert den schon müden Schritt mit zusätzlichen Plateausohlen an den Schuhen. Diese säubern sich jedoch auf den Wiesen hinab nach Kemtau wie von selbst.
Auf dem Zwönitztalweg geht es nun leicht wellig weiter. An dessen Ende, in Höhe des Kemtauer Ortsteils Kamerun, wollen wir den weiteren Bogen wie gewohnt über Burgstein, Kalkofen und Weißbach nach Dittersdorf ziehen. Zu sehr ins Gespräch vertieft, bemerke ich allerdings erst viel zu spät den (aus dieser Richtung etwas unscheinbaren) Abzweig. Zurück wollen wir aber auch nicht und am Ufer der Zwönitz ist es ja auch nicht schlecht. Der Wanderweg nennt sich mittlerweile Gräfinsteig und endet am Dittersdorfer Bahnhof, der wie die gesamte Bahnstrecke Chemnitz-Aue derzeit eine Baustelle ist. Wir wechseln die Straßenseite und verschwinden an der Starkastenvilla auf dem Schwarzen Weg wieder im Wald. Dieser forststraßenmäßig ausgebaute Wanderweg ist uns natürlich zu breit, zu flach, zu einfach. Daher beschließen wir (oder besser gesagt ich allein) den Mühlberg gleich direkt anzulaufen. Dafür gibt es logischerweise keinen Weg oder Pfad.
Einfach der Nase nach - auch wenn diese manchmal den Waldboden umzupflügen scheint, so steil wie es stellenweise ist. Wir stochern uns nur langsam und verdammt kraftraubend nach oben. Diese Variante wurde anfangs nur gewählt, um den schon schleichend gewordenen Laufschritt durch einen geländebedingt soliden Wanderschritt übertünchen zu können. Schön vermogelt, Herr Delling! In diesem 130-Meter-Anstieg zeigen sich die bestehenden sportlichen Defizite zu Siggi und Steffen noch besser, als auf der Ebene. Den Mühlberg erreichen wir dank der "Entschleunigung" des Burgstädter Duos gemeinsam. Zum Verweilen bleibt dort jedoch keine Zeit, da der nächste Gipfel schon den nahen Horizont ziert.
Es sind nur noch wenige Meter bis zur Dittersdorfer Höhe, als Steffens Uhr die 1.000-Höhenmeter-Marke knackt. Ein paar Schritte später bestätigt auch meine Aufzeichnung den "Kilometer Vertikal". Daher lassen wir nun den Gipfel erstmal links liegen und biegen schnurstracks zum Wirtshaus unterhalb des höchsten Punktes unserer Tour ab. Es folgt die große Mittagspause, für die allerdings nur die Getränkekarte herangezogen wird.
Gestärkt vom reichlich konsumierten Bier begeben wir uns nun die paar Meter hoch zur Dittersdorfer Höhe. Dort könnten wir jetzt den Blick noch besser in die Ferne schweifen lassen, wenn der Einsiedler Erzgebirgsverein seine (um das Jahr 1900 herum gemachten) Bestrebungen umgesetzt hätte und das damals vorhandene Aussichtsgerüst durch einen massiveren Turm ersetzt hätte. Dazu ist es jedoch nicht gekommen und der Wanderer/Läufer muß demzufolge nur mit einer stinknormalen Sitzgarnitur vorliebnehmen. Diese wollen können wir aus Zeitgründen nicht auch noch strapazieren und belassen es daher mit einem Gipfelbild neben der Triangulationssäule.
Bergab nehmen wir nun den fast direkten Weg zur Weggablung Drei Buchen im Einsiedler Wald. Von dort ist es nur noch ein Katzensprung bis zur Wettinhöhe (der höchsten Stelle des Mäuseberges), welcher wir natürlich auch noch einen Kurzbesuch abstatten müssen. Mit der Ende November 1893 in Betrieb genommenen und im Juni 1894 eingeweihten Einsiedler Talsperre säumt ein weiterer geschichtsträchtiger Ort den Streckenverlauf.
Um danach noch ein paar Höhenmeter zu sammeln, wird die Zschopauer Straße mit dem Gasthof Goldener Hahn in den Kurs übernommen. Im anschließenden Niedereinsiedler Wald wird dessen niedrigster Punkt, das Wassertretbecken, auf mehreren kleinen Pfaden angelaufen und mit dem anschließenden Erklimmen des Steinbergs das heutige Höhenmeter-Anhäufen endgültig beendet.
Vorbei am ehemaligen Erfenschlager Freibad, welches durch die Untätigkeit der Stadt immer mehr verkommt, gelangen wir erneut ins Zwönitztal. Nun sind es noch knapp zwei Kilometer Asphalt bis zum Ziel, auf dessen Weghälfte wir die sogenannte Einnahme passieren. Von 1850 bis 1939 stand am jetzigen Kreisverkehr zwischen Erfenschlag und Reichenhain ein Zollhaus, bei dem bis 1912 eine (landwärtige) Maut für Kraftwagen, Fuhrwerke und "getriebene" Tiere entrichtet werden mußte. Nach dem Tod des Geldeinnehmers wurde dieses Gebäude abgerissen. Der Name überlebte allerdings die Zeit, zumal auch zur DDR-Zeit (aufgrund der gut einsehbaren geraden Straßenführung landwärts) der zu flotte stadtwärts fahrende Verkehrsteilnehmer von den Staatsbediensteten "abgefettet" wurde. Zu schnell sind wir nun auf keinen Fall. Wir lassen es ausrollen ... Feierabendstimmung im Bewegungsapparat! Vier (gemeinsame) Feierabendbiere nach Uhrenschluß (6:01 Stunden) besiegeln dann den schweißtreibenden Tag.
Nachbetrachtung: auf nicht absehbare Zeit wurden am Folgetag u.a. die Gaststätten geschlossen, tags darauf wurde der diesjährige Zittauer Gebirgslauf ins nächste Jahr verschoben und drei Tage später der Rennsteiglauf abgesagt. Mit diesem Wegfall von Unterwegsverpflegung und sportlichen Zielen kommt unsere Trainingstätigkeit in den nächsten Wochen leider komplett zum Erliegen.