10.09.2022 | 5:00 Uhr | 64,9 km | 2.491 Hm+ | 2.491 Hm- |
Mal wieder gilt es, den Heldenstatus von Suhl zu ergattern, ihn zu erneuern, das Vorjahresergebnis zu bestätigen. Entbehrungsreiche Wochen und Monate der Vorbereitung füllen daher das Trainingstagebuch. Nun gilt es diese selbstauferlegten Strapazen bestmöglich in sportlichen Erfolg umzusetzen. Ach halt, das ging doch auch vor einem Jahr schon wesentlich einfacher - ohne großes Übungsprozedere, allerdings mit Ergebnislisteneintrag im hinteren Bereich. Doch auch dort wird der Titel eines Helden verliehen!
Ein bißchen stiefmütterlich gehen wir schon damit um, wenn es um die Verleihung von Heldentiteln geht. Eine laxe bis gar keine Vorbereitung und ein dementsprechend schlechtes Wanderergebnis für die Annalen - so lief es stets bei Ute und mir, wenn der Südthüringentrail vor der Tür stand. Durchgemogelt haben wir uns immer irgendwie, warum sollten wir dieses Erfolgsrezept urplötzlich ändern? Vielleicht wendet sich aber das Blatt auch mal ganz schnell und unsere Untätigkeit fällt uns so richtig auf die Füße? So unmöglich erscheint dies nicht, auch wenn wir schon auf vier Ergebnislisteneinträge im Suhler Heldentrail-Ranking verweisen können.
Bisher vier Anläufe ... und keiner ging schief!
Damit uns dieses Glück nicht verlässt, konnten wir mit Steffen einen Garant für eine sichere Zielankunft gewinnen. Er probiert sich zwar erst zum dritten Mal an der großen Doppelrunde, war aber bei seinen bisherigen Teilnahmen stets weit weit vor uns mit seiner Aufgabe fertig. Er fühlt sich heute nicht so hundertprozentig fit und will deshalb die Sache etwas ruhiger angehen lassen. Da bleibt ja nur zu hoffen, daß wir ihn nicht gar zu sehr ausbremsen und er sich noch 'ne Erkältung einfängt.
Selbstgebrauter Kaffee am Morgen, vertreibt die letzten bestehenden Sorgen.
Der Wecker klingelt diesmal 3:45 Uhr und zwar auf dem Parkplatz neben dem Startbogen im Suhler Simson-Park. Die Startunterlagen haben wir schon am Vorabend geholt und haben daher jede Menge Zeit, um uns auf die große Runde vorzubereiten. Ein reichliches Frühstück gönnen wir uns deshalb trotzdem nicht, denn: mit vollem Bauch bewegt man sich nun mal nicht gern und es wird schon schwer genug, unseren Beinen unseren, von Tatendrang und Rastlosigkeit geprägten Willen aufzuzwingen. Wenigstens einen Kaffee gießen wir uns hinter die Binde, damit sich der Körper nicht ganz so verarscht vorkommt.
Der Nebel des Grauens begleitet uns Schritt für Schritt.
Um 5 Uhr rückt dann der Heldentrail-Anwärter-Trupp ins Dunkel der Nacht aus. Während anfangs noch alles irgendwie einer Laufbewegung zuzuordnen ist, verfällt das (hintere) Feld am ersten Anstieg (wie immer) in den Wanderschritt. Überholen geht auf diesem Streckenabschnitt so gut wie gar nicht, denn die enge Gasse ist dafür nicht ausgelegt. Die hier gesparte Kraft wird natürlich auf den vielen noch folgenden Steigungen Gold wert sein - man wird es dann nur nicht so wahrnehmen. Für Untrainierte ist einfach der komplette Kurs Schwerstarbeit, da sind selbst "Ruhephasen", wie die Asphaltabschnitte in Suhl oder moderate Bergabstücke nur mit erhöhtem Puls zu meistern. Doch davon gibt es nicht viele - meist geht es steil bergauf oder straff talwärts, dazu enge Pfade oder nasse Wiesen, viele Kurven und nervige Stechviecher.
Thüringens steilster Skihang - auch ohne Skier machbar!
Zum Glück spielt heute das Wetter mit! Ein dichter Wolkenvorhang erteilt dabei der Sonnenbestrahlung eine gehörige Abfuhr. Warm ist es auch so. Selbst im anfänglichen Dunkel hoch zum Domberg läuft einem schon das Wasser aus allen Poren, was nur ein kleiner Vorgeschmack auf die folgenden Mühen ist. Da wären der steile Anstieg zur Döllberghütte und der Skihang von Goldlauter 'runterzu. Im Bergauf schwitzt man zwangsläufig vom hohen Niveau des ersten echten Gratmessers des Tages. Bei der rasanten Fahrt (auf Thüringens steilstem Skihang) nach unten, fürchtet man angstschweißgebadet eventuelle Stürze auf dem nassen Grashang. Ute scheint dabei zwar nur unwesentlich langsamer, als mit Latten an den Füßen zu sein, nimmt aber ordentliche Wadenkrämpfe von ihrem waghalsigen Ritt für den Rest der Reise durch Südthüringen mit. Auch meine rechte Wade verkraftet diesen ungewohnten, in permanenten Mini-Serpentinen durchgeführten Abstieg nicht so richtig und wird mich im Laufe des Tages noch schmerzhaft daran erinnern.
Nebelkopf statt Schneekopf
So, geheult wurde nun genug! Wobei die weiße Wand auf dem Schneekopf dann wohl doch zum Heulen wäre. Kein Fernblick, kein Gipfelerlebnis - doch hätten wir in unserem mittlerweile desolaten Zustand überhaupt Zeit für solchen Pathos gehabt? Haben wir nicht genug damit zu tun, überhaupt voran zu kommen? Nach 5:03 Stunden haben wir zumindest die Hälfte der Wegstrecke hinter uns gebracht - Bergfest, laut Definition geht es nun nur noch bergab. Wenn dies nach Verlassen der Schutzhütte am Adler (VP Nr. 3) bei Kilometer 32,5 dem Streckenprofil entspricht und sich auch unsere sportliche Leistung (außer die von Steffen!) weiter dem Tiefpunkt nähert, ein Kapitulieren vor weiter eingestreuten Anstiegen (sprich: Mühen) gibt es nicht!
Orientierungshilfe zwischen liegenden und noch stehenden Bäumen
Weit über sieben Stunden stehen für die erste Runde zu Buche, als wir zu Dritt in die Start-, Ziel- und Durchlaufgasse einbiegen. Da muß man sich nun ehrlich gesagt nicht auch noch die Wichtelrunde antun. Wir würden als "Riesen" geehrt, doch bei Utes Körpergröße wäre dies ein schlecht erklärbarer Widerspruch - also raffen wir uns doch wieder auf und wichteln oder watscheln weiter. Die Strecke wird nicht einfacher, weil sie kürzer ist. Sie wird zäh, mit etlichen Ä's. Zum sportlichen Ungemach gesellen sich dann auch noch die Launen der Natur: Ute hat sich ihren Piks "Hornisse" schon nach 45 Kilometern abgeholt, während ich dem vom VP-Steinsburg-Personal angekündigten Wespenterror noch die Stirn bieten werde. Volltreffer im Tiefflug bei Kilometer 57, als hätten sie unserem Trio, hinter den Bäumen lauernd, aufgelauert. Jetzt wummert also auch noch der Kopf. Naja, Zielzeiten wollte ich heute sowieso nicht mehr errechnen ...
Vorher / Nachher
Passend zum heutigen Datum, dem 10.09.22 laufen wir dann auch "tagesformabhängig" nach 10:09 Stunden (und "gemunkelt" 22 Sekunden - wenn ich es richtig im Augenwinkel an der Zieluhr mitgeschnitten habe) im Dreierverbund über die Zeitmeßmatte. Eine Bruttozeiterfassung gibt es nicht, daher gibt es drei unterschiedliche Nettoergebnisse:
108. | Steffen Steinert | Burgstädter LV | 93. Mann | 34. M50 | 10:09:06,6 h |
109. | Ute Herfurt | Chemnitz | 16. Frau | 5. W50 | 10:09:07,6 h |
110. | Thomas Delling | Chemnitz | 94. Mann | 35. M50 | 10:09:07,8 h |
Von den 253 gemeldeten Läufern gingen 189 an den Start (= 64 DNS!) und nur 153 vollendeten auch die gesamte Strecke. Neben drei DNF's beließen es 33 Teilnehmer dabei, nur die erste Runde (47,5 km) zu laufen.
Fünf, vier, drei, zwei, eins - meins! Hemd und Medaille Nr.5
War ja wieder einmal ganz einfach, sich als Held in die Ergebnisliste zu schieben! Kleine Wehwehchen akzeptiert man da gern. Klar, die rechte Wade ist jetzt etwas dicker als die linke und der Schmerz beim Auftreten versucht sich bis ins Gehirn vorzuarbeiten. Auch bei Ute sitzt nicht mehr ein Stein auf dem anderen, dazu noch die Nebenwirkungen der Insektenstiche. Doch diesem Zinnober schenken wir beim Zielbier mit Wichteltrailer und Steffens Vereinskamerad Enrico keine Beachtung. Wäre ja blöd, im Augenblick des "Triumphes" auf solche Nebengeräusche zu hören. Ein schöner Tag neigt sich so dem Ende. Sicherlich wäre dieser mit etwas mehr Training leichter von der Hand gegangen und hätte daher auch mehr Spaß gemacht, doch wir sollten hier nicht undankbar sein und in das "Was-wäre-wenn" verfallen - fünftes Finish beim fünften Start in Suhl, basta!