09.10.2018 Spindlermühle - Elbquelle - Kammweg - Schneekoppe - Sankt Peter - Spindlermühle: 41 km / 1.510 Hm+ / 1.510 Hm-
Vor weit mehr als 30 Jahren war ich zum letzten Mal im Riesengebirge, dem höchsten Gebirgszug der Sudeten. Damals gab es noch die Tschechoslowakei und die Volksrepublik Polen und unsere Wanderung zur Schneekoppe war durch die politische Situation stark eingeschränkt und deshalb nur auf den böhmischen Teil reduziert. Mittlerweile gibt es keine Grenzkontrollen auf dem Kamm mehr und die Schneekoppe ist ganz nebenbei zum höchsten Berg der Tschechischen Republik "aufgestiegen". Grund genug, ihr deshalb mal wieder einen Besuch abzustatten.
Das Riesengebirge ist für Ute absolutes Neuland, obwohl sich ein Zweig ihrer Ahnentafel am Fuß dieses Gebirges im schlesischen Teil befindet ... mit Blick zur Schneekoppe, versteht sich! Demzufolge geht es mal früh nicht zur Arbeit, sondern noch früher (4:15 Uhr) mit dem Auto ins Böhmische. Nach 315 Kilometern erreichen wir 8 Uhr den gebührenpflichtigen Parkplatz am Busbahnhof von Spindlermühle (Špindleruv Mlyn - 710 m). Gegen 8:30 Uhr machen wir uns auf den Weg. Zuerst folgen wir der Straße hinauf zur Elbbrücke und schwenken dort auf die Promenade ein, welche neben dem Flußverlauf die ersten sanften Höhenmeter nimmt. Am Mädelsteg (Dívčí Lávka - 780 m) vereinigen sich nun Weißwasser (Bílé Labe) und Elbe zur "richtigen" Elbe. Wir bleiben auf der breiten Forststraße, welche in den Elbgrund (Labsky dul) führt. Mit der Einmündung des Pudelbachs (Pudlava - 892 m) wird der Weg steiniger und der Blick erfreut sich an den Felsen und Flanken der Goldhöhe (Krkonoš), welche sich linkerhand an der Elbe erhebt. Wenig später gelangen wir zum Elbfall (Labsky vodopád), der sich verhältnismäßig ruhig (aufgrund des trockenen Sommers) durch die Elbschlucht (Labská rokle) mogelt.
Nach zwei Stunden straffen Fußmarsches stehen wir vor der Elbfallbaude (Labská bouda - 1.340 m), welche schon deutliche Gebrauchsspuren am Gebäude zeigt. Das Hotel scheint aber trotz aller Verfallserscheinungen noch in Betrieb zu sein. Eine Viertelstunde Pause (mit erstem Blickkontakt zur Schneekoppe am Horizont) gönnen wir uns, ehe wir weiter zur Elbquelle (Pramen Labe - 1.386 m) schlendern. Dort ist, wie auf dem bisherigen Weg, nichts los. Keine Leute und auch keine Quelle! Die Trockenheit des Sommers präsentiert einen Steinring aus dem kein Wasser sprudelt. Einer der größten Flüsse Europas (1.165 km Länge) hat somit zur Zeit keinen Ursprung!
Weiter geht es nun zum Hauptkamm des Riesengebirges, auf dem der Freundschaftsweg Richtung Veilchenstein (Violík, Labski Szczyt - 1.472 m), der jedoch nur vom Wegrand zu betrachten ist, da Hinweisschilder ein Betreten der Felsformation verbieten. Gegen 11:30 Uhr ist das Doppelkar der Schneegruben (Snezné jámy, Sniezne Kotly - 1.490 m), welches sich vom Veilchenstein bis zum Hohen Rad erstreckt, erreicht - "zwischendrin" am oberen Ende des Kessels steht, weithin sichtbar, die ehemalige Schneegrubenbaude (Schronisko Nad Snieznymi Kotlami), in der heutzutage eine Wetterstation und ein Rundfunksender untergebracht sind, nachdem sie 1835 als erste Jugendherberge des Riesengebirges in Betrieb ging.
Auf großen Steinblöcken, welche meisterhaft zu einem Wanderweg verlegt wurden, umgehen wir den Gipfel des Hohen Rades (Vysoké kolo, Wielki Szyszak - 1.509 m) und gelangen zum "Steinhaufen" der Großen Sturmhaube (Velky Šišák, Śmielec - 1.414 m). Dem Schwarzen bzw. Agnetendorfer Paß (Sedlo nad Martinovku, Czarna Przelecz - 1.350 m) folgen die Felsformationen der Mannsteine (Muzske kamény, Czeskie Kamienie - 1.416 m) und der Mädelsteine (Dívčí kameny, Ślaskie Kamienie - 1.414 m). Wenig später ist die Peterbaude (Petrovka bouda - 1.285 m) erreicht. Sie war eine der ältesten Bauden des Riesengebirges und wurde 2011 durch Brandstiftung vernichtet. Bis 2019 erfolgt nun der Wiederaufbau dieser traditionsreichen Stätte.
Auf einem Asphaltweg geht es nun hinab zur Mädelwiese (Šlezské sedlo, Przelecz Dolek - 1.178 m) und weiter zum Spindlerpaß (Šleské sedlo, Przelecz Karkonoska - 1.198 m), welcher mit Pendelbussen von Spindlermühle aus erreichbar ist. Mit der (ebenfalls nach Brand) 2005 neu errichteten Spindlerbaude (Špindlerova bouda - 1.200 m) auf böhmischer Seite und der 1928 als Jugendkammhaus Rübezahl (Schronisko Odrodzenie na Przeleczy Karkonoskiej - 1.236 m) gebauten Jugendherberge auf schlesischer Flur befinden sich gleich zwei Berghotels in unmittelbarer Nähe an der niedrigsten Stelle des Riesengebirgs-Hauptkammes.
Schnell wieder an Höhe gewinnend, umgehen wir die Kleine Sturmhaube (Maly Šišák, Maly Szyszak - 1.435 m) und gelangen wenig später zum Felsgebilde des Mittagsteins (Polední kámen, Slonecznik - 1.423 m). Die nächste Etappe ermöglicht uns eine herrliche Sicht auf die rund 100 Meter unter unserer Felswand in einem Gletscherkessel liegenden Großen und kleinen Teich (Wielki Staw und Maly Staw) auf niederschlesischer Seite.
Über das Hochplateau des Koppenplan (Równia pod Śniezka, Obrí plán - 1.400 bis 1.450 m) geht es nun auf gepflastertem Fahrweg hinab zum Sattel (Obrí sedlo, Przelecz pod Śniezka) mit dem Schlesierhaus (Schronisko Dom Ślaski - 1.394 m), welches wir kurz vor 15 Uhr erreichen. Nun folgt der kurze aber knackige Gipfelanstieg zur Schneekoppe. Der Steig zeichnet dabei ein paar Serpentinen in den Nordwesthang des Berges und ist durchweg mit einem "Geländer" aus Ketten gesichert. Eine Viertelstunde nach dem Hüttenstempel vom Schlesierhaus stehen wir, und Ute dabei zum ersten Mal, auf der Schneekoppe (Snezka, Śniezka - 1.603 m). Der Andrang auf dem Grenzgipfel ist groß, da vom böhmischen Petzer (Pec pod Snezkou) eine Seilbahn für ständigen Nachschub sorgt.
Seit meinem bislang letzten Schneekoppen-Besuch Anfang der achtziger Jahre hat sich einiges verändert. ... erstens baulich: Die damals noch auf dem Gipfel befindliche Böhmische Baude (Česka bouda) wurde 2004 abgerissen und an deren Stelle ein modernes Gebäude, für die bis dahin in einem benachbarten Kiosk ("Hexenhaus") untergebrachte "Tschechische Poststelle auf der Schneekoppe", errichtet. Neben dem Hexenhaus (2008 abgetragen) gibt es auch die ehemals preußische Wetterwarte auf dem Gipfel nicht mehr. Sie wurde 1989 auf schlesischer Seite "entfernt". Einzig die St.-Laurentius-Kapelle und die "Fliegende Untertassen" genannte Polnische Baude (Schronisko na Śniezce) überlebten die baulichen "Umgestaltungen" auf der Schneekoppe. ... und zweitens politisch: durch die Folgen des damals in Polen bestehenden Kriegsrechts war natürlich ein Grenzübertritt für Deutsche auf dem Gipfel und dem gesamten Riesengebirgskamm unmöglich. Doch daran erinnert nun heutzutage gar nichts mehr.
Bis 16 Uhr verweilen wir auf dem höchsten Punkt der Tschechei. Wir genießen die Aussicht und dabei zwei "Halbe" Bier. Der Rückweg führt uns auf dem, vom Aufstieg bekannten Zickzackweg zum Sattel. Dort nehmen wir die Abkürzung über die Weißen Wiesen (Bílá louka, Biala Laka), dem Quellgebiet des Weißwassers (Bílé Labe). Diese Hochebene ist die Wasserscheide zwischen Ost- und Nordsee und ein Holzsteg führt nahe der polnisch-tschechischen Grenze über das sumpfige Plateau. Kurz vor 17 Uhr gelangen wir so zur Wiesenbaude (Lucní bouda - 1.410 m). Sie ist die größte und älteste Baude im Riesengebirge. Auch wenn das 1623 (erstmals) erbaute Gebäude einen eher verlassenen Eindruck auf uns macht, ist es doch voll in Betrieb. Im Inneren herrscht dabei reger Hotelbetrieb, während sich auf der hauseigenen Terrasse kein Tourist den nun langsam ausklingenden Sonnentag antut.
Wir nehmen nach einer kurzen Pause den kurzen Weg (7,5 km) Richtung Spindlermühle. Ein steiniger Weg führt uns dabei stellenweise recht steil über Sankt Peter (Svaty Petr - 880 m) zu unserem Ausgangspunkt zurück. Nach 41 Kilometern straffen Wanderschrittes sind wir 18:30 Uhr wieder an unserem Fahrzeug. Es erfolgt eine "Katzenwäsche" im noch glasklaren Elbwasser, ehe wir 19 Uhr wieder Richtung Chemnitz aufbrechen.