Nach Eins kommt Zwei - nach dem Kilomètre vertical (in Fully) kommt demzufolge der Double Kilomètre vertical. Im Eifischtal (Val d'Anniviers) bietet sich da die Möglichkeit gleich beide Varianten zu absolvieren. "Les KM de Chando Vertical Race" nennt sich der Berglauf, der seit 2012 des Läufers Wadenmuskulatur fordert und Bestandteil des Walliser Berglaufcups und des Vertical Kilometer World Circuit ist. Auch wenn man sich dabei von Veranstalterseite die 1.970 reellen Höhenmeter auf "2K" schön gerechnet hat, verliert dieser Berglauf mit einer durchschnittlichen Steigung von 25% kaum etwas von seiner Brutalität.

Wir verlassen nach einer kurzen Autobahn-Passage das Rhone-Tal (Vallée du Rhône) in Siders (Sierre) Richtung Vissoie. Am Beginn des Taleinschnitts herrscht erhöhte Betriebsamkeit, denn gerade an diesem Sonnabend findet der "New-York-Marathon des Berglaufs", die 49. Auflage Sierre-Zinal statt. Die Läufer bereiten sich auf ihr 31 Kilometer langes Bergabenteuer vor und wir sind froh noch vor eventuellen Sperrungen die Straße talaufwärts nutzen zu können. Sie schlängelt sich teilweise recht eng an den Felsen vorbei bergauf. In Richtung Fang verlassen wir diese Hauptstraße und finden am Ortseingang sogar einen Parkplatz.

La Navisence     /     Step d'Anniviers

Im unteren Teil des Bergdorfs, in Fang d'en Bas (980 m) starteten die ersten neun Ausgaben des Berglaufes des "simple kilométre vertical", mit 3,5 Kilometern Wegstrecke und 1.000 Höhenmetern im Anstieg, dessen Ziel sich in Chandolin (1.980 m) befand. Für diesen Streckenabschnitt (Fang - Chandolin) stehen auch noch aller einhundert Höhenmeter die entsprechenden Hinweisschilder. Der doppelte Kilometer hingegen startet in Step d'Anniviers (800 m) und führt bis auf das Illhorn (2.716 m). Er ist an den Wegkreuzungen mit einem weißen Läufer auf grünem Grund beschildert. Seit der 10. Edition im vorigen Jahr enden beide Läufe auf dem Illhorn. Der Start für den Tausender ist nun in Rèche d'en Haut (1.709 m).

 
Fang

Wir laufen vom oberen Ortsteil von Fang hinab zum Feuerwehrgebäude von Step. Auf dem etwas größeren Vorplatz des Geländes (wo sich mehrere ältere Fahrzeuge, die für Übungszwecke der Feuerwehr bestimmt sind, stapeln) ist der Start des Double KV, der zur ersten Ausgabe noch ein paar Höhenmeter weiter unten an der Brücke über den Bergbach La Navisence stattfand. Zur Vollständigkeit hier noch die aktuellen Streckenrekorde: für den Tausender steht dieser seit 2014 bei den Männern bei 34:08,7 Minuten (Xavier Gachet, Frankreich) und bei den Frauen bei 41:14,6 Minuten (Axelle Mollaret, Frankreich). Beim Zweitausender liegt die Meßlatte für die Bestzeit mit 1:09:32 Stunden bei den Männern (Rèmi Bonnet, Schweiz, 2018) und mit 1:21:20 Stunden bei den Frauen (Christel Dewalle, Frankreich, 2020) sehr hoch.

Höhenmetrierung

Wir lassen es da eher gemütlich angehen, jedoch mit etwas mehr Druck als am Vortag. Auf den ersten Höhenmetern bis Fang d'en Haut (1.040 m) bietet sich noch die Möglichkeit, an Brunnen mit kühlem Wasser gegen die sich schon langsam wieder ankündigende Hitze gegenzusteuern. Laut Veranstalter sind nun im Wald bis Chandolin 150 Kehren zu meistern. Die den Wegrand säumenden Höhenmeter-Schilder geben dabei eine grobe Hilfe bei der Einordnung im persönlichen Zeitplan. Ein Wassertrog in Réche d'en Bas (1.623 m) erfrischt noch einmal unsere Köpfe, ehe es in der prallen Mittagssonne gen Chandolin geht. Bis auf 34°C wird die Quecksilbersäule heute noch klettern und bis zum Illhorn wird uns kein weiterer Bach oder Brunnen parat stehen.

Rèche

Großer Auflauf dann im Ortskern von Chandolin. Natürlich nicht wegen uns, sondern pure Begeisterung für den Durchlauf des schnelleren Teilnehmerfeldes des Klassikers Sierre-Zinal. Das lassen wir dann auch mal kurz auf uns wirken, ehe es (ihnen entgegen) weiter bergauf geht. Vorbei an der Cabane Illhorn (2.128 m) führt der Pfad nun in der Direttissima unter dem Sessellift zum Gipfel. Wir nehmen auf der Alpage de Chandolin eine Querung (da die offizielle Strecke höchstwahrscheinlich nur zum Wettkampf freigegeben ist), welche uns, nicht ganz so steil, zum Pas de l'Illsee (2.545 m) bringt. Da dort ebenfalls das grünweiße Double-KV-Schild den Wegweiser ziert, gibt uns unsere Vermutung Recht.

Sierre-Zinal in Chandolin     /     Cabane Illhorn

Der finale Anstieg ist steil und felsig, doch die Fernsicht vom Doppelgipfel ist überwältigend: der Tiefblick ins Rhonetal zu den Berner Alpen, in den Illgraben, dazu das sich über dem Illsee aufbauende Firmament mit Brunnethorn, Schwarzhorn, Bella Tola, Rothorn, dem Üssers und Inners Barrhorn, Brunegghorn, Bishorn und dem überaus dominanten Weisshorn. Es schließt sich der illustren Runde an: Les Diablons, Zinalrothorn, Punta Margherita, Ober Gabelhorn und Matterhorn, dazu Pointe de Zinal und Dent Blanche. Wer dann das Okular noch schärfer stellt, bekommt zudem noch Mont Blanc, Grand Combin oder die Aiguilles Rouges d'Arolla zu Gesicht.

 
Illhorn

Auf unserem Rückweg legen wir in der Illhorn-Hütte und in Chandolin noch kleine Trinkpausen ein, schließlich war der letzte Höhenkilometer eine verdammt trockene Angelegenheit. Am späten Nachmittag führt uns unser Weg zum nächsten Taleinschnitt, dem Turtmanntal. Dort wartet mit dem 2. Barrhornlauf am nächsten Tag die erste richtige Herausforderung des Wochenendes.