23.10.2021 | 7:41 Uhr | 54,64 km | 1.624 Hm+ | 751 Hm- | Steffens virtueller FU |
Irgendwann im Mai informierte mich Steffen über sein Vorhaben, den Fichtelberg-Ultra mit Ute und mir gemeinsam "virtuell" abzutippeln. Dieser Wettkampf findet nach 2020 auch in diesem Jahr nicht statt, jedoch gibt es die Variante des individuellen Erklimmens des höchsten Punktes von Sachsen, für die man bis Ende Oktober Zeit hat und dann seine Finisher-Utensilien nachgereicht bekommt. Klar doch, da wird sich ja wohl mal ein Wochenende finden, um das abzuhaken! So strichen die Wochen und Monate ins Land und Anfang Oktober wurde es im Terminplaner schon regelrecht eng. Doch getreu der moralischen Verpflichtung "Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen!" ist eine Woche vor Sendeschluß diese Unternehmung spruchreif.
Steffen ist jedoch über unseren desolaten Trainingszustand informiert. Die zuletzt erzielten Zeiten von Suhl und Eisenach bei ähnlichen Distanzen sprechen dabei eine deutliche Sprache. Trotzdem finden wir uns gemeinsam an jenem Sonnabendfrüh am Wasserschloß in Klaffenbach ein. Mit spärlich beladenen Laufwesten gehen wir die Sache bei 3°C und bedecktem Himmel an. Das Anfangstempo ist schon nicht zu hoch gewählt und wird im Laufe des Tages auch noch mehr entschleunigt. Es geht nun mal nicht, aus dem Stand 'nen Fünfziger zum Fichtelberg halbwegs sportlich zu meistern. Die dafür benötigten Trainingseinheiten liegen bei Ute und mir schon ein paar Jahre zurück - und genau diese müssen wir jetzt wieder abrufen, zumindest das "Wollen", wenn schon das "Können" nicht mehr möglich ist.
Zum ersten Fichtelberg-Ultra am 31. Mai 2014 waren Ute und ich dabei. Die Strecke war gut markiert und orientierte sich ab dem Eisenweg an den Hinweisen zum Fichtelbergmarsch, der eine Woche davor stattfand. Da wir nach dem Wettkampf die selbe Strecke auch wieder nach Klaffenbach zurückliefen, prägte sich diese umso besser ein. Im Laufe der Zeit verblasst diese Erinnerung jedoch und zusätzliche kleinere Streckenänderungen ermöglichen ein "aus dem Hut"-Laufen dieser Route nicht mehr. Nun hätte man sich den Weg auch digital auf die Uhr, das Telefon oder sonstiges technisches Hilfsmittel laden können, um Verläufern vorzubeugen. Das entspricht jedoch nicht dem Geist unseres Laufes und daher werden unklare Streckenabschnitte auf mehreren DIN-A6-Zetteln in Skizzen dargestellt und so für den Ernstfall bereitgehalten.
Tisch'l im Burkhardtsdorfer Abtwald
Im Großen und Ganzen komme ich während des Laufes mit meiner Zettelwirtschaft klar. Wir befinden uns fast ausschließlich auf der vom Veranstalter vorgegebenen Strecke. Am Tisch'l im Abtwald rasten wir erstmals (die Entsorgungsgänge ins Unterholz mal nicht mitgerechnet) und finden eine völlig neu gestaltete Anlage vor. Bei unserem Lauf zum Greifenbachstauweiher im Hochsommer war hier noch alles öde und verwaist. Nun lädt hier ein richtiges Schmuckstück zum Verweilen ein. Mehrere hölzerne Tierskulpturen umrahmen die Sitzgarnituren, welche mit Tischplatten in Form der Blätter von Buche, Ahorn, Linde und Eiche einen wahren Hingucker parat halten. Ein Unterstand, gedeckt mit Holzschindeln aus "Lindenlaub", sorgt für den nötigen Wetterschutz und ein Gästebuch aus Holzbohlen (welche man beschriften kann) gibt es so sicherlich nicht überall. Bleibt zu hoffen, daß sich das herrliche Ensemble lange in dieser Form hält und nicht Opfer blinder Zerstörungswut wird.
Auch wenn wir mit unserem minimalen Proviant gut haushalten, müssen wir in Oberscheibe die Wettkampfstrecke verlassen und im örtlichen Supermarkt Nachschub holen. Es ist unsere einzige Möglichkeit unterwegs einen VP zu simulieren. Neben einem großen Angebot an eher (für uns) nutzlosen Dingen, hält der Ladenbesitzer auch ein großes Repertoire an wettkampfspezifischer Kost bereit: hopfen- und zuckerhaltige Getränke werden vor Ort konsumiert oder für später im Rucksack verstaut. Dieser eine Versorgungspunkt entpuppt sich zwar als sehr zeitraubender aber notwendiger Stop, wie sich später im Gipfelanstieg bewahrheitet.
Auerbach/Erzgebirge / Fernsehturm Geyer
Kurz vor dem Ziel (Bergstraße/Rachelweg) sind dann meine Aufzeichnungen doch etwas unbrauchbar, weil ich entscheidende Details darauf nicht erwähnt hatte. An einer Kreuzung im Hochwald stockt unser schon nicht zu schneller Trab für längere Zeit. Rechts hoch? Links weg? Geradeaus steil hinab? Niemand von uns kann sich an dieses Bergabstück erinnern, wobei Steffen erst vor drei Jahren hier beim Fichtelberg-Ultra lang ist. Nach langem Hin und Her nehmen wir die "goldene Mitte" und sind am Fuße des Abschnitts "goldrichtig". Die Alte Mittweidaer Straße, entlang des (fast) gleichnamigen Baches, ist uns bestens bekannt - nur, war dieser folgende Abschnitt bis zum Abbiegen in steileres Gelände schon immer sooo lang? Scheinbar ja.
Nun erlauben wir uns auch den bisher (so gut wie) vermiedenen Uhrenblick. Steffen hatte seine Frau für den Zeitraum von 15:30 bis 16 Uhr zum Fichtelberg bestellt, um uns eine sorgenfreie Rückfahrt nach Chemnitz zu garantieren. Jetzt werden dementsprechende Hochrechnungen gemacht: eine Zielzeit von 7:49 Stunden würde demnach eine Ankunft halb vier bedeuten - ist aber läuferisch nicht mehr zu bewerkstelligen. Es werden letztendlich 7:58:15 Stunden, als wir den virtuellen Lauf zum Fichtelberg 15:39 Uhr beenden. Damit wird Steffen (in Bestform) wohl keinen Podestplatz mehr abbekommen. Danke Ute! Danke Thomas! Bitte, wir helfen gern! So brauchst du wenigstens nicht noch in der ungemütlichen Kälte auf die Siegerehrung warten.
Fichtelberg - windig, 1°C / Kaiserhof - mollig, 25°C
Ein paar Fotos in Siegerpose zwischen verreiften Zweigen oder vom naheliegenden Keilberg müssen schon noch sein, ehe wir am Fahrzeug in trockene Sachen wechseln. Dazu gibt es Gebäck und heißen Tee mit Rum. Die After-Race-Party steigt jedoch nicht auf dem "Dach Sachsens" (da wären zu viele bürokratische Hürden zu meistern gewesen), sondern im Startort des (auch in diesem Jahr durch die Corona-Maßnahmen ausgefallenen) 9,1 Kilometer langen Fichtelberglaufes in Neudorf. Neben der weit über die Grenzen bekannten "Karzl"-Schauwerkstatt findet sich in einem gemütlich warmen Deko-Faß im Kaiserhof ein stilvoller Ort zur Nachbetrachtung des Tagesgeschehens. Dabei werden Bier, Suppe und Speckfettbemmen gereicht - das klingt zwar recht spartanisch, ist es aber bei weitem nicht!
Jetzt bedanke ich mich mal noch bei Steffen, der sooo viel Geduld mit uns und unserem langsamen Vorankommen hatte und natürlich bei Beate für die Gipfelfotos, die Sofortverpflegung und den Abholdienst.