24.12.2022 | 9:10 Uhr | 11,2 km | 160 Hm+ | 160 Hm- | Gruppenlauf |
Was waren das für Zeiten, als man in einer Art Mutprobe vor seinen Kumpels minutenlang illegal auf einer Parkbank ausharrte oder adrenalingeschwängert nach 20 Uhr grundlos zum x-ten Male den Häuserblock umrundete? Ob dies nun als Begleichung einer verlorenen Wette oder im Vollrausch geschah, sei dahingestellt. Der Reiz, diese hochgradig verbotenen Dinge zu tun, ist scheinbar (vorerst?) vorbei. Die Welt befindet sich mal wieder im Wandel. Liebgewonnene Alltagsbegriffe wie die täglichen Fallzahlen und die daraus resultierenden 7-Tage-Inzidenzen sucht man von heute auf morgen, wie das berühmte Salz in der Suppe, vergebens. Doch auch ohne dieses Beiwerk wird sich die Erde weiterdrehen - bei einem Weglassen des Heiligabend-Marathonlaufes, wäre ich mir da allerdings nicht so sicher.
Das Prinzip "Flatten the curve" vom April 2020 (ursprünglich als Begründung für einen verschärfteren Covid-19-Maßnahmenkatalog ausgegeben) scheint nun endlich auch für einen halbwegs vernünftigen Marathonlauf Früchte zu tragen. Die Formkurve für den berühmten Zweiundvierziger ist dermaßen im Keller, daß sich das Organisationskomitee des Heiligabend-Marathonlaufes dazu entschließt, diese genormte Distanz auf vier Personen zu verteilen. Das wären dann pro Laufschuhpaar 10 Kilometer, 548 Meter und 75 Zentimeter - eine in dieser Form in unseren Breitengraden nicht vorkommende Rundenlänge. Natürlich muß hier geflunkert werden, denn besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Das ist dann aber auch wirklich die allerletze Ausrede, oder Schönrede, wenn es um den Heiligabend-Marathon geht. Im nächsten Jahr sollte dann jeder Teilnehmer wieder in der Lage sein, die 42 Kilometer und 195 Meter eigenständig zu laufen - wenn möglich, unter vier Stunden.
Entgegen aller "Einsparungen" garantiert Schirmherr Jens, ein über seine Gartenzaungrenze hinweg bekannter Ausdauersportler a.D., einen Parcours vor seiner Haustür, der es in sich hat. An normale Laufbewegungen soll bei einem maximal heraufbeschworenem Verwüstungsgrad im Bestand des Harth- und des Pfarrwaldes nicht einmal zu denken sein. Ein schlichtes (und natürlich kräftezehrendes) Vorankommen auf den schlammüberzogenen und von schwerer Forsttechnik getrimmten Wegen bezeichnet er im Vorweg als den eigentlichen Erfolg. Voller Spannung und Demut betreten wir deshalb den Austragungsort im grünen Speckgürtel von Chemnitz. Fragende Blicke und einhelliges Denken (welches jedoch nicht ausgesprochen wird) bestimmen dabei die erste grobe Einschätzung vom Terrain. Hat hier etwa jemand zu dick aufgetragen? Wollte man unser Quartett mit überzogenen Horrorszenarien vielleicht sogar vom Sporttreiben abhalten? Oder ist hier nur jemand schon zu weit von der Materie des Laufens im Gelände abgetriftet? Kurzum: es präsentiert sich eine äußerst abwechslungsreiche, aber nicht übermenschliche Strecke, Marke: anspruchsvoller Crosslauf.
Da der Harth- und der Pfarrwald schon im Vorjahr als Ausweich zum bestenlistenfähigen Stadtparkrundkurs herhalten mußten, erweitert sich der diesjährige Rundkurs bis in die Flur von Klaffenbach und Neukirchen. Dort gibt es mit dem Wasserschloß Klaffenbach eine überregional bekannte Sehenswürdigkeit, welche als Streckenpunkt mit einbezogen werden soll. Ein Viertelmarathon ist allerdings Pflicht, sonst scheitert ja auch noch das Minimalprojekt mit dem abenteuerlich zusammengerechneten Marathon. Deshalb muß eine kleine Verlängerung der Distanz über den Schwemmteich und dem angrenzenden (zum großen Teil frisch abgeholzten) Tiergarten-Wald noch unter die Füße genommen werden.
In diesem Bereich lauert dann doch die vielleicht schlechteste Wegbeschaffenheit, welche das "Orakel vom Harthwald" nie und nimmer hat voraussagen können - liegen diese morastigen Pfade doch weitab seines Schaffensbereiches. Die Saugwirkung des Schlammes im Wegenetz des Tiergarten-Waldrestes zieht einem fast die Latschen von den Füßen. Doch die Moral der Truppe sinkt deshalb nicht, denn hier ist man mit Spaß bei der Sache. Zur Belohnung für dieses Durchhaltevermögen gibt es noch einen Abstecher zur 500-jährigen Eiche am Würschnitzufer. Sie ist zum Großteil abgestorben aber immer noch ein Umweg wert.
Über ein aufgeweichtes Feld und den südlichen Ausleger des Hutholzes gelangen wir wieder zum Harthwald zurück. Die langgezogene Zielgerade zum Anwesen unseres Gastgebers nimmt sachte noch ein paar Höhenmeter von der Uhr, welche die Schrittfrequenz noch einmal ungewohnt in die Höhe jagt. Mit erhöhtem Puls drücken wir am Gartentor unsere Chronometer aus, nicht aber, weil wir so außer Puste sind. Wir sind einfach nur aufgeregt - schließlich folgt nun die langersehnte Bescherung. Kleine Gaben, wenn auch größtenteils nur in Form von Heißgetränken aus Steinguttassen oder alkoholisch angereicherten Elektrolyten in Halbliterflaschen aber auch Lebkuchen, Bücher oder hochwertige Zigarren, wechseln kurz darauf ihre Besitzer.
Der Rest des Vormittags vergeht somit recht schnell. Es werden dabei u.a. weitere sportlich ambitionierte Pläne geschmiedet - natürlich alle "verbindlich", sonst könnte man sich dieses Gerede auch sparen. In zwei Tagen geht es nämlich schon weiter, denn der traditionelle Burgstädter Fettverbrennungslauf steht im Terminkalender. Dann ist auch unser heutiger Heiligabend-Marathonlauf-Obmann Jens mit von der Partie - er muß ja dabei nicht zwingend dem Laufsport frönen, er wird sich indes den Wandersleuten anschließen. So, wie er es heute getan und sich hierbei ein realistischeres Bild vom Zustand "seines" Waldes verschafft hat. Selbst ihm fehlten danach die Argumente vom anfangs gestreuten Mythos des "unbezwingbaren Harthwaldes durch Ortsunkundige". Doch übermorgen drehen Siggi und Steffen den Spieß um. Jens, dann bist du in deren Gebiet unterwegs! Die Streckendetails dafür halten sie (bewußt?) zurück. Wirst du dich dieser Herausforderung stellen? Aber ja doch, du hast doch schon verbindlich zugesagt.
Statistik des Heiligabend-Marathonlaufes:
Aufzeichnungsgerät | Distanz | Steigung | Laufzeit* | |
Steffen Steinert | Garmin FR 935 | 11,27 km | 189 Hm+ | 1:29:37 h |
Siegfried Beyer | Garmin FR 235 | 11,11 km | 192 Hm+ | 1:20:02 h |
Ute Herfurt | Polar V800 | 11,23 km | 175 Hm+ | 1:23:12 h |
Thomas Delling | iPhone 5 | 11,20 km | 160 Hm+ | 1:29:30 h |
Gesamt | 42,195 km | 716 Hm+ | 5:42:21 h |
* Laufzeitenunterschiede durch verschiedene Aufzeichnungsformate
Der 8. Heiligabend-Marathonlauf findet voraussichtlich am 24.12.2023 statt.