20.06.2021 | 7:30 Uhr | 153,7 km | 2.050 Hm+ | 2.050 Hm- | Trainingsfahrt |
Während sich die Tretmühlen im Freundeskreis schon seit Wochen (und Monaten) emsig auf Straßen und Radwegen austoben, sind die Drahtesel von Ute und mir immer noch größtenteils Stalltiere und fristen ihr Dasein im Dunkel der Garage. Doch deren Gewieher aus Frust und Tatendrang wird zunehmend lauter und ein weiteres Wegsperren kann es daher so nicht mehr geben. Also öffnet sich des Sonntagmorgens das Garagentor nur für unsere zwei ungestümen Zweibeiner, ähh Zweiräder. Vielleicht werden sie ja wieder etwas geerdet und sehnen sich nach Ruhe und Geborgenheit, wenn wir sie gleich mal auf die zwei höchsten Erhebungen des Erzgebirgskamms ausführen?
Es ist der Tag, an dem der 9. Fichtelberg-Radmarathon sattfindet, oder besser gesagt, stattfinden sollte. Die Umstände, die zur Verhinderung der Veranstaltung mit immerhin 1.000 Teilnehmern führten, müssen hier nicht näher erläutert werden. Es wird jedoch für Angemeldete vom Chemnitzer Stadtsportbund eine "FRM-Daheeme-Tour" als Alternative angeboten. Man fährt also (in der Zeit vom 20.6 bis 20.8.) die 88 Kilometer mit rund 1.600 Metern im Anstieg in Eigenregie von Chemnitz zur Sachsenbaude unterhalb des Fichtelberg-Plateaus, dokumentiert dies mit einem Bild unter dem dort aufgestellten Zielbogen und erhält so seine üblichen Devotionalien.
Wir wollen jedoch nur unseren kurzgehaltenen Tretmühlen mal wieder etwas Belastung gönnen, deshalb nehmen wir Chefplaner Tilos "Angebot des Wochenendes" dankend an und signalisieren ihm unsere Bereitschaft sein zusammengestelltes Fast-Lizenzfahrer-Quartett durch unsere Trägheit gehörig auszubremsen. Dabei verzichten wir auf den "Scharfrichter" Innenstadt und werden nur den Schlußanstieg von Altchemnitz hoch ins Erzgebirge realisieren. Das Stadtzentrum von Chemnitz ist derzeit nur mit messerscharfen Verstand zu bewältigen, sonst verliert man schnell den Überblick und findet sich (mir nichts, dir nichts) in einer der vielen Baugruben an einem der Hauptverkehrswege wieder. Für diese Art des Orientierungsfahrens ist an einem Sonntagmorgen natürlich noch kein Platz in der Phase des Sich-erstmal-Findens.
Wer das Bäumchen hat gestohlen, den soll sogleich der Teufel holen.
Am Bahnhof Reichenhain stoßen wir daher erst zu Tilo, Siggi, Olaf und Jürgen. Während diese Vier nun schon mehrere Kilometer und den anspruchvollsten Teil der FRM-Strecke hinter sich haben, klinken wir uns völlig ausgeruht in deren Windschatten. Das (vom Profil her) gemächliche Intro durchs Zwönitztal über Einsiedel, Dittersdorf, Kemtau und Burkhardtsdorf läßt erahnen, daß es heute nur bedingt "ruhig" zur Sache gehen wird. Stupides Treten mit nach unten ausgerichtetem Blick - so geht das auch eine ganze Weile gut, ehe uns (und da waren noch vier Fahrer, die in Meinersdorf "dazugestoßen" sind) ein quer zur Fahrbahn gezogener Graben ausbremst. Wobei meine Bremswirkung erst durch das Auffahren auf Siggis Gefährt richtig zur Geltung kam. Trotz Notbremsung fahre ich "fast ungebremst" in Siggis Hinterrad. Glücklicherweise sind beide Maschinen hart verpackt und stecken so einen Rempler ungefragt weg.
Es folgen die ersten Anstiege in Gornsdorf und später in Jahnsbach, Geyer und Zwönitz. Vorn geben Olaf, Jürgen und Siggi den Takt an, während Tilo so eine Art Lückenschluß zwischen dem Ausreiser-Trio und Ute und mir versucht herzustellen. Doch für solche Kraftakte fehlt der Saft in den Knochen und so werden wir (insbesondre ich) permanent die "rote Laterne" Richtung Erzgebirgskamm tragen.
Wettinbrunnen / Sachsenbaude
Am Heimateck in Waschleithe ist der erste Stop des Tages vorgesehen. Hier gibt es die üblichen isotonischen Getränke, die für den nun folgenden Permanent-Anstieg von Pöhla zum Fichtelberg dringend benötigt werden. Hier verlieren sich dann auch die Spuren zu den Vorderleuten, die wesentlich agiler die Steigung meistern. Ein Zwischenbad im Pöhlwasser am Wettinbrunnen und eine längere Trinkpause in Tellerhäuser ziehen den zeitlichen Abstand in noch größere Sphären. Dazu gesellen sich noch die Stehversuche meinerseits auf dem 16%-Steigung-Klassiker Richtung tschechische Grenze. Irgendwann erreichen wir trotzdem die Sachsenbaude, wo sich das Ziel des Fichtelberg-Radmarathons (FRM) befindet. Von den anderen Teilnehmern unserer Reisegruppe fehlt jedoch jede Spur. Jürgen hat sich hier sein FRM-Ränzlein abgeholt und ist mit Tilo, Siggi und Olaf schon längst die paar Höhenmeter weiter auf dem "Dach Sachsens" zum ersten Gipfelbier verabredet. Na wenigstens gibt es auf dem Gipfelplateau keine Unterschiede aufgrund der gezeigten sportlichen Leistungen und auch die Nachzügler kommen so in den vollen Gaumengenuß.
Trinkpause auf dem Fichtelberg
Aber wir müssen nun auch noch zur Nummer 1 im heutigen Höhenprofil, dem Keilberg (Klinovec). Er liegt ja nur ein paar Kilometer entfernt und ist im Erklimmen wesentlich leichter zu bewerkstelligen. Allerdings ist es dort, ähnlich wie auf dem Fichtelberg, proppevoll - und das nicht nur auf den Parkplätzen, sondern auch in unserer "Lieblingskneipe" am Gipfelaufbau. Daher gibt es heute Kontrastprogramm: statt einer Einkehr im Gasthaus wird erstmalig der 2013 rekonstruierte Aussichtsturm bestiegen. Doch ohne den Geschmack von böhmischem Bier im Kropf wollen wir die Heimfahrt nicht so recht antreten. Schließlich werden wir auf der Schußfahrt nach Weipert (Vejprty) in Böhmisch Hammer (České Hamry) fündig. "U Krízku" heißt die Schänke und diese hat neben Bier aus dem südmährischen Groß Raigern (Rajnrad) auch noch vorzügliche Speisen zu bieten. Natürlich fällt das Aufstehen und Weitermachen danach schwer, doch bis zum Grenzübergang nach Bärenstein rollt es ja noch von ganz allein.
Eß- und Trinkpause in Böhmisch Hammer / Aussichtsturm auf dem Keilberg
Mit dem Pöhlbach schlängeln wir uns nun gemütlich bis Thermalbad Wiesenbad. Dort ist noch einmal ein Anstieg hinüber nach Wolkenstein im Profil für uns vorgesehen. Bis Wilischthal radeln wir noch mit leichtem Gefälle neben der Zschopau her, ehe es den letzten Anstieg der Ausfahrt hinauf nach Weißbach geht. Dort trennt sich unser Trupp und nur noch Tilo begleitet Ute und mich über das Zwönitztal nach Altchemnitz. Siggi, Jürgen und Olaf nehmen den direkteren Weg Richtung ihrer Heimat - was am Ende um die 200 Tages-Kilometer auf deren Chronometern bedeutet.
Auch mit deutlich weniger Zahlen auf dem Tacho kann man so einen Tag sorglos zu den Akten legen. Alles Menschenmögliche wurde getan, um den Drahteseln einen schönen Tag zu bereiten. Kurz nach deren Einschluß ist es dann auch verdächtig still in der Garage. Da kommt kein Mucks mehr! Völlig breit lehnen die zwei an ihrem angestammten Platz und beruhigen so das schlechte Gewissen der Vortage.