13.07.2019 | L'Aldosa de la Massana - Arinsal - Refugi de Comapedrosa - Estany de Comapedrosa - Alt de Comapedrosa und zurück: 28 km / 1.735 Hm+ / 1.735 Hm- |
Auch wenn der höchste Berg des sogenannten Zwergstaates Andorra, im Vergleich zu den Riesengipfeln seiner Nachbarnationen Frankreich und Spanien kaum von Bedeutung ist, kann er doch von sich behaupten, dem Besteiger den Blick auf das gesamte Land, das Fürstentum Andorra, zu ermöglichen. Diesen Service können der Mont Blanc für die "Grande Nation" oder der Pico Mulhacén für das spanische Festland bei weitem nicht bieten!
Der Alt de Comapedrosa ist zudem (geringfügig) niedriger, als der Gipfelaufbau "unserer" Zugspitze - optisch jedoch ein fast naturbelassener Berg: kein Massentourismus (durch Seilbahnen), keine Gipfelbebauung und nur mit einem sehr massivem "Gipfelkreuz" mit der Flagge Andorras gekennzeichnet. Dafür hat man die Täler unterhalb des Comapedrosa mit Hotelanlagen für den Skizirkus zugepflastert, daß es dem Auge schon sehr weh tut. Unsere Tour beginnt daher auch nicht am (für die Besteigung) üblichen Parkplatz im Talschluß von Arinsal, sondern an unserem Quartier in L'Aldosa de la Massana (1.296 m) - um 10:40 Uhr. Das heißt, die ersten rund sieben Kilometer neben den Straßen CG-4 und (ab Erts) CG-5 steigern die Vorfreude ungemein, endlich den urbanen Bereich verlassen zu können. Es gibt definitiv besseres, als monotones Asphalt- und Rinnsteingelatsche, kombiniert mit Blick auf extreme Lückenbebauung am Straßenrand. Doch auch die Zivilisation hat ihre Vorteile und so können wir in einem Supermarkt von Arinsal noch einmal Getränke für den weiteren Weg nachfassen.
Bevor es durch einen Tunnel einer Lawinenschutzmauer zum Parkplatz am Torrent Ribal (1.580 m) geht, informieren wir uns noch einmal grob an einer Karte des Nationalparks (Parc Natural Comunal de les Valls del Comapedrosa). Von hier ist der Weg zur Hütte mit zwei Stunden und weiter zum Gipfel mit 2:05 Stunden angegeben. Gegen 12:15 Uhr starten wir am Parkplatz von Arinsal.
Auf der Ruta General entlang des Riu Pollós gelangen wir nach Aigüesjuntes (1.784 m) und biegen in westliche Richtung über den Fluß ab. Der GR 11 (El Gran Recorrido de los Pireneos - der Große Pyrenäenweg) bringt uns nun entlang des Riu de Pedrosa und seinen zahlreichen kleineren Wasserfällen, durch anfangs noch schattiges Terrain hinauf zum Collet de Comapedrosa (2.224 m). Dort nehmen wir die kleine Verlängerung über die bewirtschaftete Berghütte Refugi de Comapedrosa (2.267 m), um eine kurze Rast einzulegen. Noch ein paar hundert Meter gönnt man uns danach den Schatten der Kiefern, ehe es in den unbewaldeten Bergkessel geht. Weiterhin begleitet vom Bach des Berges nimmt der Pfad im hinteren Teil des Tales schnell an Steigung zu.
Wir gelangen zu den Estanys de Comapedrosa - dem Basses d'Estany Negre (2.590 m) und dem Estany Negre (2.628 m). Zwischen beiden Seen verlassen wir den GR 11 und biegen östlich auf den Südwestgrat des Comapedrosa ab. Der Untergrund wird felsiger und die Hände müssen nun auch mal mit zugreifen - ein Genuß! Es ist 15:40 Uhr als wir den höchsten Gipfel des Fürstentums erreichen. Die Aussicht ist grandios und der Werbung, das gesamte Land überblicken zu können, kann man nur zustimmen. Gerade einmal zehn Leute tummeln sich an einem Sonnabend, bei optimalen Wetterbedingungen, um die Flagge Andorras an dessen höchstem Punkt - Massentourismus sieht definitiv anders aus! Wir genießen für eine halbe Stunde den Rundumblick auf die Pyrenäen und machen uns 16:10 Uhr wieder auf den Rückweg.
Auf dem Plateau ersparen wir uns diesmal die Berghütte und laufen den Collet de Comapedrosa direkt an. Zur linken steht dort die alte Comapedrosa-Hütte (2.216 m), eine eher spartanische Zuflucht, welche aus Steinen aufgesetzt ist - mit der neueren Bleibe (ein paar hundert Meter entfernt) nicht zu vergleichen.
Die Talfahrt gestaltet sich gewohnheitsgemäß flinker als der Aufstieg und so sind wir gegen 18 Uhr am Torrent-Ribal-Parkplatz, dem traditionellen Ausgangspunkt der Comapedrosa-Tour, angelangt. In nicht ganz sechs Stunden (inklusive Gipfelrast) ist diese Bergfahrt bei optimalen Bedingungen also machbar. Wir haben jedoch noch unsere "persönliche Strafe" des Straßengelatsches nach L'Aldosa de la Massana vor uns. Ein kleiner Getränkeimbiß am Supermercat St. Moritz in Arinsal muß dann schon noch sein, um den Gipfelerfolg zu "feiern". Kurz nach 20 Uhr kann der Tourenrucksack dann endgültig in die Ecke gestellt werden. Feierabend!
Natürlich gibt es auch noch andere Wege zum höchsten Punkt Andorras. Einer davon sollte allerdings nur Leuten vorbehalten sein, die sich gern selbst die Freuden einer Bergtour unnütz vermiesen wollen. Es ist die Route über den Zustieg vom Refugi del Pla de l'Estany (2.050 m) über den Collada del Forat dels Malhiverns (2.823 m). Diese Möglichkeit der physischen und psychischen Selbstzerstörung bietet u.a. der jährlich ausgetragene Andorra Ultra Trail Vallnord. Die dabei angebotenen Wettkämpfe Eufòria dels cims (233 km), Ronda dels cims (170 km) und Mític (112 km) decken mit ihrer Streckenführung diesen Bedarf an Masochismus. Vielleicht ist es aber auch gar nicht so schlimm, wie ich es schildere - nur mit fast 60 Kilometern in den Beinen und einer Sonneneinstrahlung mit einer Nebenwirkung von rund 30°C im Genick, empfand ich diese Variante doch als recht fordernd.
Im Rahmen der Eufòria dels cims, (am 18.07.2019) aus Richtung Montmantell kommend, nehmen wir oberhalb der unbewirtschafteten Berghütte die Bachquerung vom Riu del Port Dret und gewinnen die ersten, der rund 900 folgenden Höhenmeter auf einem Serpentinenpfad, der sich durch Büsche und Wasserrinnsale schlängelnd, in einer Geröllhalde mündet, in der sich die Wegfindung äußerst schwierig gestaltet (wenn nicht, wie in unserem Fall, die Streckenmarkierung von Ronda und Mític den "Weg" weisen würden). Nach einer "Terrainstufe" verflacht sich der Hang anfangs, jedoch versüßt nun massives Blockgelände und anschließend ein steiler Anstieg zum Paß den Spaß der Bergbesteigung.
Die letzten 100 Höhenmeter zum Gipfel erscheinen dagegen schon fast moderat. Mit knapp zwei Stunden für die rund drei Kilometer von der Bachquerung im Talschluß von Pla d'Estany ist diese Variante äußerst zeitraubend, wenn man bedenkt, daß der Zustieg zum Refugi del Pla de l'Estany von Arinsal aus mit einer anderthalb Stunde angeschlagen ist. Unser (vom Wettkampf vorgeschriebener) Abstieg erfolgt nun nicht über den Bergrücken des Comapedrosa, sondern über eine fast parallel zum letztgenannten Aufstiegspfad verlaufende Wegspur hinab zum GR 11. Dieser trifft zwischen den beiden Bergseen Estany Negre und Basses d'Estany Negre auf die vorher beschriebene Abstiegsroute Richtung Refugi de Comapedrosa.
Unsere zwei Wege zum Comapedrosa: Variante 1 ist dabei wesentlich entspannter, vielleicht aber auch, weil der Wettkampfstreß fehlte, der die schon nicht leichte Variante 2 zusätzlich erschwerte. Auf alle Fälle gilt: Wenn man schon einmal in Andorra ist, sollte man sich diesen halben Tag "Kontrastprogramm in den Bergen" zwischen Billigtanken und steuerfreiem Hamsterkauf auf der Avenue Meritxell gönnen.