30.10.2012 - 23:15 Uhr - 59,05 km / 1.605 Hm+ / 720 Hm- (Trainingslauf)
Zum Reformationstag wollten wir auch mal was "reformieren" und so Neuerungen in den "Laufalltag" bringen - das ist der Grundgedanke des nächtlichen Ausflugs zum höchsten Berg Sachsens: Althergebrachtes mit Neuem paaren - den 7. Trainingslauf zum Fichtelberg mal zur Abwechslung im Dunkeln absolvieren. Die Voraussetzungen dafür sind zwar nicht die Besten, da der Arbeitstag in Kälte und Regen keine Lust auf ein Lauf-Abenteuer des Nachts aufkommen läßt.
Hektisch verpacken Ute und ich die selbst auferlegte "Pflichtausrüstung" im Laufrucksack. Eile ist geboten, denn Siggi wartet am allgemeinen Startpunkt unserer Erzgebirgsexpeditionen am Germania-Sportplatz in Altchemnitz. Während sich unsere Katze vorm wärmenden Kamin räkelt, begeben wir uns in die kalte Nacht. Die Straßen sind zu unserem Glück menschenleer und so muß sich kein Außenstehender fragen, was die zwei Idioten wohl vorhaben.
Mit Siggi folgt ein Selbstauslöser-Bild vom 3er Starterfeld und los geht's! Über den Pfarrhübel hoch zur Pappel, dem Aussichtspunkt zwischen Zwönitz- und Würschnitztal, werden die ersten mickrigen Höhenmeter auf die Uhr gebrannt. Dort oben erwartet uns, so scheint es, der "Trojanische Hase" aus dem Film "Die Ritter der Kokusnuss". Zumindest von den Abmaßen her steht dort ein riesiges Langohr, so zeichnet sich nämlich die dort stehende Gehölzgruppe im Vollmondlicht vor unseren Augen ab. Also nichts mit Halluzinationen a la UTMB oder TDG!
Berbisdorf, Eibenberg, Kemtauer Auental und die Randsiedlung in Burkhardtsdorf lassen sich noch sehr gut laufen. Auf dem ersten Wiesenabschnitt hoch zum Enderleinweg, der zur Besenschänke führt, füllen wir uns allerdings die Schuhe schon ordentlich mit Schnee und Schneematsch und so erhalten wir einen kleinen Vorgeschmack auf das, was uns später en gros erwarten wird. Am geschlossenen Gasthaus vorbei, über die autofreie Bundesstraße wie gehabt, aber auf dem weiteren Weg zum Tischl gibt es eine kleinere Abweichung zur Normalroute und schon die erste Unsicherheit bei der Wegfindung. Mittlerweile haben wir uns auch an den "schlechten" Laufuntergrund gewöhnt - Klagen über nasse Füße werden von der Organisation nicht mehr entgegengenommen.
In Auerbach wählen wir dann, der Nässe wegen, die Straßenvariante hoch zum Wasserwerk bis zur Querung des alten Bahndammes. Doch das weitere Geläuf durch Raben- und Henneholz zur Gifthütte, der heutigen Jugendherberge, ist wieder verseucht mit versteckten Pfützen unterm Laub oder unter der dünnen Schneedecke. Die folgende Strecke zur Zwönitzer Straße ist wenigstens "gespurt", so daß die wasserführenden Abschnitte besser erkennbar sind. Auch der Himmel hat aufgezogen und so hilft das Licht des Vollmondes ungemein bei der Trittwahl. Der Sternenhimmel läßt aber auch die Temperatur unter Null sinken und selbst bei kleinen Pausen spüren wir sofort wie uns die Kälte zusätzlich schwächt.
Die mitgeführten Getränke sind mittlerweile eisgekühlt und daher nur im Notfall einzunehmen. Mit Gels und Riegeln muß aber auch die verlorengegangene Energie ausgeglichen werden und das geht nun mal nur in Verbindung mit dem Nachgießen von Flüssigkeit. Aber der Magen nimmt die ungewöhnliche Nahrungsaufnahme zu nächtlicher Stunde gelassen hin.
Die Zwönitzer Straße wird, aufgrund des nachfolgenden "Unterholz-Sektors", nicht überquert, sondern Richtung Geyer gelaufen. Am Parkplatz wollen wir den "Kiesbahn"-Weg bis zum NSG "Hermannsdorfer Wiesen" nehmen. So in etwa habe ich diesen Ausweich im Hinterkopf. Daher biegen wir auch schon beim nächsten Weg wieder in den Wald ab, weil dieser höchstwahrscheinlich eher auf unsere anvisierte Strecke trifft. Aber weit gefehlt - der "Weg" ist einfach nur beschissen und bestimmt auch noch länger. Kritik an der Wegführung bleibt Ute und Siggi klugerweise im Hals stecken, da beide auf meinen Orientierungssinn angewiesen sind.
Die nächste Streckenänderung halte ich für uns in Hermannsdorf bereit. Nach anfänglichem Wiesendurchlauf (der erhoffte Schneeharsch entpuppt sich jedoch als Matsch), entscheiden wir uns dann mehrheitlich für's Straßengelatsche. Also zurück in den Ort und die nächste Überraschung folgt auf dem Fuße - spiegelglatter Asphalt läßt den Laufgenußfaktor in den Minusbereich sinken. Mit kleinen Tippel- und großen Ausfallschritten bewegen wir uns weiter Richtung Brünlaswald.
Der Scheibenberg ist im Mondlicht schon von weitem zu sehen. Dort müssen wir zwar nicht hin, aber auch hier habe ich eine "Zweitroute" in der Hinterhand, da ich die Feldquerung hinter Oberscheibe bei dem bisher Erlebten für kritisch halte. Auf dem ortsansässigen Penny-Parkplatz, wo Ute sich erstmal den schmerzenden Fuß bandagiert, fällt die Entscheidung für die herkömmliche Strecke und wir werden nicht enttäuscht. Da haben wir doch heute schon wesentlich schlechtere Wege bewältigt.
Die Erfrischung am Erbisbächel schenken wir uns heute. Die kurz darauf erreichte Hammerstraße ist auch von einer dünnen Eisschicht bedeckt und so wird der Anstieg zur Joachimsthaler Straße mehr oder weniger zur Geduldsprobe. Noch 9 Kilometer sind es vom Parkplatz bis zum Ziel, der Wegweiser fehlt zwar, aber das ist mittlerweile "Grundwissen". Während wir immer mehr in den verschneiten Wald eintauchen, kündigt sich langsam der neue Tag an.
Den Sonnenaufgang erleben wir also nicht "ganz oben in Sachsen", sondern auf dem letzten Streckenabschnitt, da gibt ein kleines Loch in der Wolkendecke den Blick auf den roten Planeten frei. Also haben wir nicht ganz umsonst die Strapatzen auf uns genommen. Auch die bizarren Eis- und Reifablagerungen an den Fichten- und Lärchenästen sind so nicht alle Tage zu sehen.
Kurz vor 8 Uhr nach 8 Stunden und 40 Minuten "Kampf" erreichen wir den Gipfel des Fichtelberges. Sicherlich kann man auch Trainingsläufe etwas flotter gestalten, aber bei diesen widrigen Bedingungen muß man ja nichts über`s Knie brechen. Im Foyer des Berghauses ziehen wir unsere Wechselbekleidung an, nur die nassen Schuhe müssen noch weiter ihren Dienst verrichten.
Obwohl unser "sportlicher" Aufzug nicht dem Schema des Hotel-Frühstücksgastes entspricht, wird uns im Restaurant "Das Guck" ein Tisch angeboten. Der gewünschte Kaffee kommt zwar sofort, nur das von mir bestellte Radler entfällt. Da der Tag erst beim Frühstück angelangt ist, wird mein Wunsch für nicht ganz ernst genommen. Unter den anwesenden Hotelgästen sind mit Manuela und Sven auch zwei Lauffreunde, da gibt es natürlich viel von unserer Nachtwanderung zu erzählen. Sie sahen im übrigen vom Sonnenaufgang gar nichts, da der Morgennebel den Gipfel fest im Griff hatte.
Zurück nehmen wir diesmal die nostalgische Fichtelbergbahn bis Cranzahl und weiter den (normalen) Zug über Flöha nach Chemnitz. Gegen 14:30 Uhr ist der 1. NULF Geschichte.
Fotos vom 1. NULF 2012