19.08.2012 - 6:00 Uhr - 69,3 km / 2.973 Hm+ / 2.970 Hm- (4. Allgäu Panorama Ultra-Trail)
Nach den witterungsbedingten Abbrüchen der schweizer Läufe in Graubünden (Irontrail) und im Tessin (Trail Ticino), steht Ute weiterhin mit leeren Händen da, was die UTMB-Qualifikation für 2013 betrifft. Also haben wir kurzentschlossen den APM in unseren Laufkalender eingeschoben. Da gibt es die ihr fehlenden 2 von 7 notwendigen Punkten und die Wetterprognose fürs Allgäu deutet nicht auf ein vorzeitiges Beenden des Laufes von Veranstalterseite hin. Es soll aber recht warm, besser gesagt heiß werden - 28°C und darüber! Egal, Hauptsache wir bringen uns irgendwie in der Ergebnisliste unter, damit der UTMB-Anmeldung nichts mehr im Wege steht.
Also wieder die Laufutensilien im Auto verstauen und los Richtung Allgäu! Dort erwartet uns, wie an diesem Wochenende wohl überall in Deutschland, ein wolkenloser Himmel und eine drückende Hitze. Wir verbummeln den Rest des Sonnabends noch auf der Läufermesse, bei der Startnummernausgabe und in Sonthofen. Nebenbei verpassen wir die für 17:30 Uhr angesetzte Wettkampfbesprechung, die wir für 18 Uhr im Hinterkopf haben. Zusätzlich zur Pflichtausrüstung (Rettungsdecke, Pfeife und Mobiltelefon) entscheiden wir uns unabhängig von einer eventuellen Empfehlung seitens des Veranstalters für unsere Trinkrucksäcke. Normalerweise hätte es ja auch ein Laufgürtel getan.
Die Nacht im Auto ist sehr unangenehm, viel Schlaf ist aufgrund der Schwüle und der Nebengeräusche auf dem Parkplatz im Zielbereich nicht möglich. Der kurze Fußmarsch im Morgengrauen zum Start ist noch ganz angenehm, aber die Sonne steht schon hinter den Bergen in Lauerstellung, es ist ja auch Sonn-Tag! Höchstwahrscheinlich aus Rücksicht auf die noch schlafende Bevölkerung in Sonthofen wird auf einen Startschuß verzichtet, auch das Herunterzählen ist nur für die ersten Reihen im Block hörbar, so vollzieht sich der Start der ca. 300 Ultras relativ unspektakulär.
Die ersten zwei Kilometer sind flach und folgen zum Großteil der Iller flußabwärts am Baggersee vorbei. Danach beginnt der Aufstieg über Asphalt und Wiesen und kurz vor 7 Uhr, mit Erreichen der Verpflegung an der Weltcup-Hütte, läßt sich dann auch die Sonne blicken und die ersten 10 Kilometer sind nach 1:08 Stunden absolviert. Die Route führt unterhalb von Ofterschwanger Horn, Sigiswanger Horn und Rangiswanger Horn vorbei. Bei Kilometer 13,5 ist mit dem Weiherkopf (1.665 m) der erste von drei großen Anstiegen nach 1:36 Stunden geschafft. Der folgende kurze Abstieg ist ohne Stöcke Gift für meine Knie, aber es werden noch "schlimmere" Bergab-Passagen folgen.
Am Berghaus Schwaben vorbei geht es ins nächste Kuhgatter, noch ein kurzer Anstieg und dann bergab zum ersten Zeitlimit, zum großen Verpflegungsposten Grasgehren. Nach 2 1/4 Stunden überquere ich die Zeitmeßmatte (60 Minuten vor dem "Rausschmiß") und begebe mich sofort an die gut gefüllten Tische: viel Cola, etwas Wasser, ein Gel, zwei Stückchen Melone... Bevor ich jedoch platze, mache ich mich auf den weiteren Weg talwärts. Die Halbmarathonmarke wird bei 2:35 passiert und kurz darauf teilt sich der Weg - die Marathonläufer, welche 2 Stunden nach uns starteten, dürfen dann schon wieder zurück nach Sonthofen, die Ultras biegen rechts Richtung Österreich ab.
Die Sonne heizt einem schon zur frühen Stunde mächtig ein, daher nehme ich auch jede Art der Erfrischung/Abkühlung wahr, die sich mir bietet, egal ob Bach, Wassertrog oder Kuhtränke, Kopf und/oder Mütze 'rein und weiter! Auch die APM-Helfer warten an den Verpflegungsstellen mit Gießkannen auf die ankommenden Läufer. Dann werden auf Wunsch Kopf, Körper oder Beine "abgeduscht". Das belebt zwar kurzzeitig wieder, aber mit Temperaturen von über 20°C bei Laufveranstaltungen werde ich mich wohl nie anfreunden können. Dafür entschädigt die grandiose Sicht und das ist mir heute doch lieber, als würde man diesen herrlichen Landschaftslauf im Nebel bei moderater Temperatur absolvieren.
Steil hinab führt der Pfad durch den Wald zum Verpflegungspunkt Rohrmoos, danach folgt ein längerer Straßenanstieg, welcher in einen Schotterweg übergeht, zum Hörnlepass. Am später folgenden gleichnamigen Gasthof empfängt die rot-weiß-rote Flagge Österreichs die Teilnehmer. Hier gibt es wieder reichlich vom Buffet und auch die Kopfdusche darf nicht fehlen. Es folgt ein längerer Asphaltabschnitt ins Kleinwalsertal nach Unterwestegg hinab, dabei wird das Tal auf der 30 Meter hohen und 90 Meter langen Breitach-Brücke überquert. Dann, wie sollte es anders sein, wieder hoch auf die Almen, an begeisterten Zuschauern vorbei ins nächste Kuhgatter. Dabei habe ich festgestellt, das ein Überspringen der "Eingänge" Zeit spart und Eindruck schindet. Soweit es möglich ist nutze ich diese Art des Ein- oder Austritts aus dem Kuhgehege (natürlich nur auf geradem Weg und bergab). Blöd nur, wenn man den Sprung tadellos meistert und dann aber in der nächsten Querrinne hängen bleibt und strauchelt.
An der Söllereckbahn sind 40 Kilometer geschafft, mit 4:50 Stunden Laufzeit ist mir aber auch klar, das ich meine (für mich an diesem Tag zu hoch gesteckte) Zielzeit von 7:59 nicht schaffen werde. Aber das dürfte bei der Sicht auf die umliegenden Berge und Täler zweitrangig sein. Es folgt ein kurzer Anstieg, dann geht's gemächlich bergab. Der Schlußabstieg nach Oberstdorf jedoch ist alles andere als angenehm: steil, kleine Serpentinen, Wurzeln, Steine und unregelmäßige Stufen lassen da keinen flüssigen Lauf zu. Aber das scheint ja auch einer der Grundgedanken des sog. "Trailrunning" zu sein - Hauptsache anspruchsvoll!
Der unterhalb der Strecke liegende Freibergsee läd zum Baden ein, aber die Pflicht ruft und bis zur nächsten Raststätte ist es noch ein Stück: die Ebene vor Oberstdorf gibt einem das Gefühl "zu stehen", die Sonne brennt und der Ort kommt einfach nicht näher. Dafür entschädigt der Einzug in die "Erdinger Skisprung-Arena" von den bisherigen Strapazen. Jeder Ankömmling wird vom Sprecher namentlich vorgestellt und von den eifrigen Helfern auf seinen Ist-Zustand hin überprüft: "Wie geht es Dir?", "Hast Du noch Gel's?", "Soll ich Dir was in den Rucksack tun?", "Ohne Salz lass' ich dich hier nicht wieder weg!" - "Handrücken her!" (da wurde dann Salz zum Ablecken draufgestreut) und der im Rucksack mitgeführte Wasservorrat wird "überprüft". Da gibt es bei mir nichts auszusetzen, da ich bestimmt noch weit über einen Liter in der Blase habe.
Das Zeitlimit "Oberstdorf" von 8 1/4 Stunden ist in weiter Ferne und der nächste Straßen-Anstieg ist mir noch vom Nebelhorn-Berglauf in Erinnerung. Wir (eine auseinandergezogene Vierergruppe) biegen allerdings Richtung Gaisalpe ab und passieren das 50-km-Schild nach 6:07 Stunden. Es folgt ein fast 10 Kilometer langer Anstieg hinauf zum Sonnenkopf, unterbrochen von ein paar kleinen Bergabstücken. Unterhalb der Gaisalpe, bei Kilometer 54, werde ich von einem Radler überholt. Er meint, es sähe gut aus - immerhin ein 6er Schnitt. Nur rechnen die Radfahrer eben in km/h und nicht in min/km, also 6 km/h = 10:00 min/km!
Es folgt ein Streckenabschnitt, der normalerweise wegen Baumfällarbeiten und Seilkranbringung gesperrt ist. Wir müssen trotzdem durch, über Baumstämme und durch Asthaufen führt die gut markierte Strecke. Etwa 3 Kilometer vor dem Gipfel des Sonnenkopfes wird an der Verpflegung wieder geduscht, ehe es an den Getränkestand geht. Ein paar aufmunternde Worte der stets freundlichen Helfer und der steile Anstieg kann kommen. Der anfangs breite Weg verjüngt sich immer mehr zu einem Pfad und es wird immer anspruchsvoller. Kurz vor Erreichen des Sonnenkopfes säumen Heidelbeeren den Wegesrand, heute habe ich allerdings kein Verlangen danach, denn ein ca. zehnköpfiges Empfangskomitee am Gipfelkreuz empfängt jeden Läufer mit einem Riesenapplaus. Von Ute weiß ich, das die Frauen alle persönlich an der Hand die letzten Meter zum Gipfel geführt wurden. Oben hat man die Wahl zwischen Wasser und Salzstangen, die Stimmung und der Rundumblick sind großartig. Ein Helfer macht ein Gipfelbild von mir und mit viel Getöse wird der nächste Bergbezwinger empfangen und ich ins Tal verabschiedet.
Jetzt nur noch bergab, 8:02 zeigt meine Uhr am 60er Schild und ich hoffe, das die verbleibende Strecke besser zu laufen geht, als die bisherigen "downhills". Ein ewiges Gerechne an den verbleibenden Kilometer-Schildern, was die Zielzeit betrifft, bekleidet mich ins Tal. Noch fünf andere Läufer hole ich mir bis zum Ziel, obwohl ich an der letzten Verpflegungsstelle "Sonthofer Hof" mal nicht hauptsächlich zum Essen und Trinken verweile. Als ich die obligatorischen Fotos vom Gasthof schieße, bekomme ich von einem Mann aus einer Gruppe, welche mit Riesen-Kuhglocken Stimmung machen, sein "Musikinstrument" gereicht. Er nimmt meinen Fotoapparat dafür und hält meine ersten Versuche im Glockenläuten im Bild fest. Gern würde ich hier noch verweilen aber das Ziel ruft.
Im Ort warten noch Anwohner mit Gartenschlauch und fest installierter Schlauchdusche auf die Ultras. Das Ziel rückt immer näher, ein kleiner "Verhauer" noch kurz vorm Bogen und dann ist es geschafft. Organisator Axel Reusch beglückwünscht mich (wie auch jeden anderen Finisher) mit Handschlag, bevor es die Medaille im Tausch gegen den Zeitmeßchip gibt. Der Lauf war erstklassig, meine Laufzeit von 8 Stunden 54 Minuten und 9 Sekunden ist allerdings nicht zufriedenstellend. Sicherlich kann ich die Hitze als eine Ausrede aufführen, aber ich will mich mit diesem Makel nicht mehr länger beschäftigen. Ich sehe lieber die vielen bleibenden Eindrücke als maßgebend an: die fleißigen, freundlichen Helfer, die tollen Zuschauer und die vielen kleinen Erlebnisse unterwegs, die Klasse-Organisation und der anspruchsvolle Rundkurs mit seiner Aussicht - zurecht der Name Panorama-Ultratrail!
Doch was ist mit Ute?? Nachdem ich mich mit Cola und "Erdinger alkoholfrei" wieder aufgepäppelt habe, stehe ich mir im Zielbereich die Beine in den Bauch. Das Klatschen der Zuschauer kündet jeweils rechtzeitig vom Eintreffen weiterer Finisher des Ultralaufes am Wonnemar. Doch Ute läßt sich Zeit, ich vermute schon das Schlimmste - Verletzung und Aufgabe. Aber nein, nach 10 Stunden und 31 Minuten biegt sie in die Zielgasse. Mission erfüllt - UTMB-Punkte in Sack und Tüten!!
Eine kurze Regeneration mit Kuchen und Cola gönne ich auch Ute, dann geht's ins Wonnemar zum Duschen und den Füßen wird anschließend noch eine Abkühlung im Bach aufgezwungen. Gegen 18:30 Uhr machen wir uns auf den 550 Kilometer langen Heimweg, da am nächsten Morgen 5 Uhr der Wecker klingelt ...
Ergebnis Ultra-Trail Männer: 204 Finisher
1. Kowalczyk, Janosch (Team Leosport) - 1.M20 - 6:36:33
2. Sommer, Michael (EK Schwaikheim) - 1.M45 - 6:40:25
3. Zimmermann, Achim (FC Ebershausen) - 1.M40 - 6:46:27
4. Schädler, Philipp (Team Dynafit) - 2.M20 - 6:51:55
5. Mingo, Markus (Team Gamsbock - TSV Nittenau) - 1.M30 - 6:55:48
6. Helfenberger, Andreas (Geh-Punkt Weißenburg) - 2.M30 - 6:58:15
50. Delling, Thomas (LV Limbach 2000) - 16.M40 - 8:54:09
Ergebnis Ultra-Trail Frauen: 26 Finisher
1. Besler, Heidrun (2XU/Der Laufladen) - 1.W55 - 8:09:44
2. Guranti, Barbara (TV Jahn Kempten) - 1.W45 - 8:37:58
3. Schuhaj, Antje (TV Jahn Kempten) - 1.W40 - 8:46:08
4. Durry, Simone (TG Neuss) - 1.W35 - 8:54:56
5. Wesan, Ute (TSV Oberstdorf) - 2.W45 - 9:50:04
6. Übelhör, Eva (TV Immenstadt) - 2.W40 - 10:01:05
12. Herfurt, Ute (LV Limbach 2000) - 5.W45 - 10:31:29
Bilder gibt es hier!
Veranstalterseite: www.allgaeu-panorama-marathon.de