25.03.2012 - 12:00 Uhr - 80 km / 1.518 Hm+ / 1.530 Hm-
Ist ein Querfeldeinlauf in Europas größter Stadt überhaupt möglich? Die Veranstalter "Les Trailers de Paris" haben das eindrucksvoll bewiesen und eine Strecke von der Base Regionale de Loisirs in Saint Quentin-en-Yvelines bis in die erste Etage des Eiffelturms (als spektakuläre Zielankunft) gelegt, welche zurecht mit zwei Qualifizierungspunkten für den UTMB belohnt wird. Mit nur drei Verpflegungsstellen nach 22, 55 und 67 Kilometern und einer "Wasserstelle" nach 44 Kilometern setzen die Veranstalter auch verstärkt auf Eigenversorgung, welche in der mitzuführenden Pflichtausrüstung vorgeschrieben ist.
Außerdem werden noch der 18km-TwinSante (ein Paarlauf ohne Zeitnahme), ein 30 und ein 50 Kilometer-Lauf angeboten. Alle Strecken enden am Eiffelturm, wobei nur die Achtziger die 357 Stufen hinauf zur ersten Plattform des Turms "genießen" dürfen.
Alle wirklich wichtigen Dinge eines Paris-Besuchs wurden von uns bereits im Vorfeld des Trails abgearbeitet. So konnte sich Ute über ein Paar neue Schuhe freuen, gekauft auf der Avenue des Champs Elysees. Dort zwischen all den Nobelboutiquen fand sich doch tatsächlich ein "adidas"-Sportgeschäft, welches die in Deutschland nicht mehr erhältliche Ute-Schuhgröße des "adizero adios" bereit hielt.
Zu Fuß wurden zudem viele Sehenswürdigkeiten angesteuert: Tour Montparnasse (Wolkenkratzer mit dem besten Rundumblick auf die Stadt), Jardin du Luxembourg, Pantheon, Tour Eiffel (Eiffelturm), Notre Dame, Place de la Bastille, Sacre Coeur, Hotel de Ville (Rathaus), Opera National, Dome des Invalides, Palais de Justice, Place de la Concorde, Grand et Petit Palais, Arc de Triomphe, Place de la Republique, Saint-Germain-des-Pres, Louvre (nur von außen), La Madeleine (Magdalenenkirche), u.a. die Brücken Pont Neuf und Pont Alexandre III, die Friedhöfe Cimetiere du Montparnasse und Cimetiere du Pere Lachaise (44 Hektar groß) und das Prinzenparkstadion (Parc des Princes), wo es das Viertelfinalspiel im "Coupe de France" zwischen Paris Saint Germain und Olympique Lyon (1:3) zu sehen gab.
Am Freitag öffnete ab 10 Uhr auch die Startnummernausgabe am Quai Branly zwischen Seine und Eiffelturm. Beim Abholen der Unterlagen fiel uns das Fehlen des Zugtickets zum Startort auf, so das wir uns am Schalter der RER-Bahn noch zwei Karten nach Saint Quentin besorgten. Der Kassierer fiel bei unserer Bestellung fast aus allen Wolken, da wir zur besseren Verständigung auf einen Streckenplan des Trails zeigten: "Quatre-vingt kilometre? Eighty kilometers?" fragte er mehrfach kopfschüttelnd bei uns nach. Sahen wir wirklich so unsportlich aus?
Der Sonnabend zeigt sich, wie schon die Tage zuvor, sehr sonnig und für die Jahreszeit viel zu warm. Trotz der zu erwartenden "Hitzeschlacht" packe ich mir noch eine Jacke für die Zeit auf dem Eiffelturm in den Lauf-Rucksack, da unsere Säcke mit der Wechselbekleidung ca. 800 Meter vom Ziel in einer Turnhalle gelagert werden. Wir machen uns 7 Uhr 45 auf den ca. 3 Kilometer langen Weg zur RER-Station, dort sind wir natürlich nicht die Einzigen, hunderte Läufer warten dort auf ihre Fahrt zum jeweiligen Startort.
Mit der Bahn gehts also nach Saint Quentin, von dort bringt uns ein Bus bis zum Eingang des Reserve Naturelle de SQY, zu Fuß sind es dann noch einige Minuten bis zum Startgelände. Dort gibt es Kaffee, Tee, Kuchen und süßes Brot als letzte Stärkung für den Lauf zurück nach Paris Champ de Mars.
Der für 12 Uhr angesetzte Start rückt immer näher. Die Sonne gibt alles! Mir ist schleierhaft, wie da manch einer ganz in schwarz, dazu meist noch lange Hose oder gar mit Jacke laufen kann. Um uns herum wird tubenweise Vaseline verschmiert, dazu wird alles mögliche abgeklebt - man bekommt regelrecht ein schlechtes Gewissen, wenn man bedenkt, wie "unprofessionell" wir uns dagegen vorbereitet haben.
Einige Hinweise zur Streckenmarkierung und zum Verhalten während des Laufes werden kurz vor dem Start noch über eine Videowand mitgeteilt. Über eine hucklige Wiese werden wir kurz darauf Richtung Eiffelturm aus dem Startgarten entlassen. Es folgt eine Runde um den Etang de St-Quentin, einem im 17. Jahrhundert künstlich angelegten See, ehe nach ca. 9 Kilometern in der Natur ein urbaner Abschnitt folgt. Eine Brücke über die A12 schwingt sich beim Überqueren der Läuferschar mächtig auf, so das ich ab und zu ins "Leere" trete.
Kurz darauf, in einem Waldabschnitt, bekomme ich Nasenbluten - mein Körper will diese Anstrengung bei dieser Hitze offensichtlich nicht! Mit Wasser aus meinem Trinkrucksack wasche ich mir immer häufiger das Blut aus dem Gesicht. Zum Glück habe ich zwei statt der vorgeschriebenen 1,5 Liter Wasser dabei.
Nach 1:54 Stunden erreiche ich den ersten Verpflegungspunkt in Buc, ich nehme nicht viel zu mir und bin 2 Minuten später schon wieder unterwegs. Durch den Foret Domaniale de Versailles, Velizy Villacoublay und Viroflay laufen wir jetzt auch auf der Strecke des 50km-Trails, der 10:45 Uhr im Parc du Chateau de Versailles gestartet wurde. Im Foret Domaniale de Merdon wurde dann für uns 80er eine größere Schleife Richtung Clamart gelegt, während die 50er den kürzeren Weg nehmen konnten.
Das Wasser im Rucksack wird weniger und die Beine werden immer schwerer. Ich muß immer häufiger Gehpausen einlegen, 4 Stunden und 44 Minuten nach 44 Kilometern sind die Folge - der Schnitt liegt jetzt schon weit über 6 Minuten pro Kilometer. Hier in Meudon gibt es nur Trinkwasser, fast zwei Liter passen wieder in die Blase des Rucksacks. Einen weiteren Liter kippe ich mir über den Kopf und "genieße" von der Terrasse des Schlosses den Blick auf das (noch weit entfernte) Ziel, den Eiffelturm. Nur drei Kilometer darauf folgt am Observatorium die Überprüfung der Pflichtausrüstung - satte 5:10 Stunden für 47 Kilometer werden an der Kontrollstelle für mich registriert.
Der Tiefpunkt folgt aber erst noch, ich bin immer mehr am spazieren, selbst gerade Streckenabschnitte gehe ich. Mitten im Parc Forestier de la Mare Adam stehen einige Frauen an der Strecke und feuern die vorbeikommenden Läufer lautstark mit "Allez! Allez!" und "Courage!" an. Als ich mich gehend an ihnen vorbeimogle, wird das "Allez, allez Thomas!" lauter. Ich antworte mit "Je ne peux plus." (Ich kann nicht mehr.), da mich meine Startnummer als Deutschen verrät, "verfolgt" mich eine der Frauen mit den Worten "Dü kannst nich mer, Thomaa, du muußt laufeen!". Gern hätte ich ihr den Wunsch erfüllt, aber es sind noch einige hundert Meter, bis ich wieder in den Laufschritt übergehe.
Oberhalb des Friedhofes von Chaville wartet die zweite Verpflegungsstation auf die Läufer - 55 Kilometer sind jetzt zurückgelegt, meine Uhr zeigt 6:03 Stunden. Das ist mir aber mittlerweile egal, den jetzt gibt es erstmal Abendbrot: Salamischeiben, Orangenstücke, Kuchen, Brot, dazu mehrere Becher Cola - ein Fest für den Magen! Wie ein Michellin-Männchen bewege ich mich weiter. Der geschundene Körper bedankt sich aber wenig später wieder mit Leistung. Die Ortsquerung von Chaville geht schon fast von allein, selbst die Anstiege machen sich immer besser.
Durch den Foret Domaniale de Fausses Reposes nach Ville d`Avray zum Parc de Saint-Cloud hänge ich mich immer wieder an kleinere Gruppen und versuche ihr Tempo mitzugehen. Meist bin ich dann bergauf schneller und suche mir weiter vorn die nächsten "Hasen". So macht die Sache dann doch Spaß, was natürlich auch an der abendlichen Abkühlung liegt.
Den Verpflegungspunkt in Saint-Cloud erreiche ich nach 7:27 Stunden, ca. 7 Minuten verbringe ich dort mit Essen und Trinken. Die Verantwortlichen verweisen aufgrund der einsetzenden Dunkelheit auf die Pflicht des Tragens der Stirnlampe und der reflektierenden Armbinde.
Durch den Park schlängelt sich der Weg in Serpentinen hinab zur Seine. Jetzt folgen noch ca. 10 Kilometer am Seine-Ufer und stellenweise im Großstadtverkehr, wobei mehrfach (durch Brückenüberquerungen) die Richtung gewechselt wird. Die Brückenstufen hinab nehme ich seitlich, weil die Oberschenkel brennen, die Stufen hinauf springe ich förmlich. Die Ile Saint-Germain und eine kleinere (namenlose) Insel werden auf dem Weg zum Ziel noch abgehakt, dann ist es soweit: die letzten Meter vom Port de Suffren hinauf zum Quai Branly werden zum Triumphzug. Durch die Menschenmassen hindurch führt ein enger Gang zum Südpfeiler des Eiffelturms. Nach dem Überlaufen einer Zeitmeßmatte bekommt jeder Läufer noch eine "Rückfahrkarte" für den Fahrstuhl. Jetzt sind es nur noch 57 Höhenmeter, verteilt auf 357 Stufen - 4:10 Minuten später bin ich im Ziel: 8 Stunden, 45 Minuten und 25 Sekunden!
Je ein T-Shirt und Glückwünsche gehen an alle Finisher. Bier und Cola stehen als Erfrischung bereit. Ich warte auf Ute, sie hat mich auf dem Telefon angeklingelt, als sie die letzte Verpflegungsstelle verlassen hat, ich hoffe auf eine Zielankunft vor 22 Uhr, da Ute unter 10 Stunden bleiben wollte. Nach 9:51:34 Stunden ist auch sie auf der ersten Etage des Eiffelturms angekommen. Wir fallen uns in die Arme und sind glücklich über das letztendlich schwer Erkämpfte. Bis nach 23 Uhr genießen wir noch die Atmosphäre im Zielbereich. Unsere Liftkarten bleiben im Rucksack, da wir, wie viele andere Läufer auch, das Treppenhaus benutzen.
Der Abend klingt gegen Mitternacht mit einem reichhaltigen Buffet im Zelt der ehem. Startnummernausgabe aus. Der Weg zum Hotel wird natürlich zu Fuß angetreten, welches wir 2 Uhr (durch Zeitumstellung 3 Uhr) erreichen.
Ein großes Lob geht an die Organisatoren und vielen Helfer, waren wir anfangs noch recht skeptisch was die Wegfindung und das Überqueren von Straßenabschnitten betraf, so kann man sagen, das alles bestens gelöst wurde.
Von 2.043 Startern erreichten nur 1.693 das Ziel.
Meine Zwischenzeiten und -plazierungen:
Buc - Ecole Pre St-Jean 1:54:21 216.
Observatoire de Meudon 5:10:32 213.
Chaville - Parc Mare Adam 6:03:39 277.
Domaine national St-Cloud 7:27:13 222.
Parvis Tour Eiffel 8:41:15 225.
Arivee - Tour Eiffel 8:45:25 222.
Bilder gibt es hier.
Ergebnis 80km Männer:
1. Clavery, Erik (Team Asics France - FRA) - 1.M23-39 - 5:45:43
2. Gault, Emmanuel (Team Asics France - FRA) - 2.M23-39 - 5:53:37
3. Antolinos, Fabien (Team Running Conseil - FRA) - 3.M23-39 - 6:04:31
4. Saint Girons, Thomas (Team Asics Trail - FRA) - 4.M23-39 - 6:11:39
5. De Paepe, Romuald (Team Adidas - FRA) - 5.M23-39 - 6:15:50
6. LeJeune, Frederic (Rambouillet Sports - FRA) - 1.M40-49 - 6:17:28
208. Delling, Thomas (LV Limbach 2000) - 85.M40-49 - 8:45:25
1.539. Cornet, Pascal (BEL) - 630.M40-49 - 13:06:05
Ergebnis 80km Frauen:
1. Porte, Fiona (ACO Firminy-Team Adidas - FRA) - 1.W23-39 - 6:40:33
2. Mauclair, Nathalie (Lafuma-FreeRun 72 - FRA) - 1.W40-49 - 6:48:05
3. Govignon, Virginie (Team Lafuma-Trirunning Brest - FRA) - 2.W23-39 - 7:07:17
4. Volard-Gilet, Nicole (AR Sud Lac - FRA) - 2.W40-49 - 7:44:25
5. Semali, Zaina (RCB - BEL) - 3.W40-49 - 7:49:10
6. Heuze, Geraldine (ACR Dinan - FRA) - 3.W23-39 - 8:15:05
52. Herfurt, Ute (LV Limbach 2000) - 22.W40-49 - 9:51:34
154. Herve, Valerie (Cloca Acheres - FRA) - 28.W50-59 - 12:44:39
Veranstalterseite: www.traildeparis.com