Das Jahr 2023 ist noch keinen halben Tag alt und hat schon einen neuen persönlichen Rekord zu bieten - genauer gesagt, eine neue Jahresbestleistung im Stundenlauf. Umso bemerkenswerter erscheint diese Leistung, wenn man sich vor Augen führt, was man das gesamte vergangene Jahr alles nicht gerissen hat - da gab es keine sportlichen Sternstunden, 365 Tage lang nicht einen läuferischen Lichtblick! Doch kaum hat das neue Jahr angefangen, klopft auch schon völlig überraschend der Erfolg an.

Jedes Jahr beginnt nun mal mit den "guten Vorsätzen", welche im Wortlaut identisch mit denen des Vorjahres sind und meist schon in der Silvester-Neujahr-Nacht zu Schall und Rauch verpuffen: "weniger Alkohol im neuen Jahr" wird traditionell mit Sekt begossen und "mehr Bewegung" beginnt und endet schon weit vor Mitternacht in der Horizontallage auf dem Sofa. Doch Pflichterfüllung gelingt nun mal nicht im Schlaf. Deshalb steigt der ausgenüchterte Möchtegern frühmorgens ins Fahrzeug und begibt sich nach Frankenberg. Dort wird den wirklich Willigen eine Plattform für ihr Wollen geboten. Dafür sollte man sich rund eine Stunde auf den Beinen halten und möglichst schwindelfrei agieren können. Es gilt eine Stunde (oder eben weniger) im Kreis zu laufen - auf Tartan, sprich: bestenlistenfähige Voraussetzungen sind gegeben!

Wenn man jetzt aber die persönlichen Ansprüche an die des Namensgebers des Laufes anpasst, wird man wohl oder übel schmerzlich enttäuscht - gibt es doch kaum lauffaulere Geschöpfe wie zivilisationsverwöhnte Kater. Es heißt zwar, sie legen auch mal um die 25 bis 30 Kilometer zurück, dies geschieht aber in diesen Fällen nicht aus freiwilligem Antrieb, sondern nur im Zuge der Heimfindung zur Futteraufnahme. Der Radius des Hauskaters ist im Normalfall recht eingeschränkt, will er doch keine zu großen Wanderungen zu seiner gesicherten Vollverpflegung unternehmen. In Frankenberg ist die Infrastruktur für Katerläufer ähnlich, wenn auch die Verpflegung nur eine Art Notbehelf darstellt. Warme Getränke, Pfannkuchen und Fischbrötchen sollen den Läufer immer mal wieder von der Tartanbahn locken, um den sportlichen Jahresauftakt dann doch nicht zu intensiv zu gestalten. Auch eine Tombola hält die Teilnehmer bei Laune. Die Gewinne müssen aber nicht zwanghaft während des Laufes gesichert werden, denn das machen dann wirklich nur diejenigen, die dies als Vorwand für ihre läuferischen Defizite nutzen. Der am weitesten entfernte Punkt auf dem Katerlauf-Rund-bzw.-Ovalkurs zur Verpflegung beträgt übrigens 150 Meter, der zur Gewinnausgabe 120 Meter.

Bevor es jedoch auf die Strecke geht, wird die vom nächtlichen Feiern erschlaffte Muskulatur erwärmt. So wird das hier schon immer gehandhabt. Doch welcher Läufer bereitet sich schon (im wahren Leben) so intensiv auf seine Tätigkeit vor? Natürlich niemand! Die unnatürlichen Verrenkungen erträgt der Körper daher nur widerwärtig und sehnt sich inbrünstig nach der Freigabe zum Laufen, Gehen oder Wandern. Nach zehn Minuten Tortur ist es soweit, die 185 anwesenden Sportler dürfen endlich die Laufbahn in Beschlag nehmen.

Nun kämpft jeder für sich! Es gilt das bessere Ergebnis für sich zu proklamieren - schließlich will man sportlicher ins neue Jahr gestartet sein als sein Gegenüber. Doch das anfänglich ungestüme Losgestürze der Läuferschar ebbt schon nach wenigen Runden ab. Tja, so ein Stundenlauf wird eben nicht in den ersten Minuten entschieden, so wie das neue Jahr auch nicht am ersten Tag "gerettet" wird. Zum Reinfinden muß der Bewegungsapparat mit einem soliden "Schritt für Schritt, mein Arsch kommt mit" langsam an die Aufgabe für heute und die Ziele im neuen Jahr herangeführt werden. Während auf der Jahnkampfbahn dieser gemächliche Trott dann auch bis zum Schluß nach einer Stunde Bewegungszeit Bestand haben wird, sollte dies für das Jahr 2023 gesehen, doch noch die ein oder andere Leistungssteigerung bereit halten.

Mit einer Stundenlaufleistung von 10 Kilometern und 570 Metern steht definitiv ein neuer persönlicher Jahresbestwert in dieser Kategorie zu Buche. Die Meßlatte für die kommenden zwölf Monate liegt daher entsprechend hoch, freut sich aber auch auf die vielzitierte "Luft nach oben". Ein bei der Tombola gewonnenes Wellness-Päckchen dürfte dabei auch die durch übertriebenen Ehrgeiz hervorgerufenen Schäden lindern.