12.09.2020 | 5 Uhr | 64,9 km | 2.491 Hm+ | 2.491 Hm- |
Suhl im September mit Simsonpark in aller Herrgottsfrühe - die Dritte! Für Ute und mich steht die dritte Teilnahme an einem der wenigen deutschen Läufe, bei dem noch UTMB- bzw. ITRA-Punkte vergeben werden, auf dem Wochenendzettel. Wie Steffen, der unsere Reisegruppe für den diesjährigen Thüringen-Ausflug komplettiert, haben wir es aber nicht auf diese Qualifikationskriterien abgesehen. Für uns steht mal wieder nur auf das Erlebnis der Einzigartigkeit dieser in hiesigen Gefilden eher untypischen, sehr fordernden Streckenführung mit ihren markanten Aussichten im Vordergrund.
Unsere Anreise nach Suhl erfolgt auf Initiative von Steffen schon am Vorabend. So kann man da schon den bürokratischen Kram um Startnummer und GPS-Tracker wesentlich entspannter klären und muß dies nicht noch in den sowieso schon enggestrickten Ablauf vor dem frühzeitigen Start einbauen. Zudem gönnt man dem Körper noch rund zwei Stunden mehr Schlaf, es fehlt aber wiederum der Adrenalin-Kick, welcher durch die Hektik eines frühmorgendlichen Anreisetermins zwangsläufig ausgelöst wird.
Trotzdem ist bereits 3:30 Uhr in der Unterkunft des Suhler Sportbundes am anderen Ende der Stadt die Nacht für uns beendet. Ohne großes Tammtamm wird danach der Start- und Zielbereich im Simsonpark angesteuert, wo ein "frühes" Frühstück vom Veranstalter angeboten wird, welches sich Ute und Steffen nicht entgehen lassen wollen. Da ich jedoch über genügend Reserven "an den Seiten" verfüge und ich zu dieser Tageszeit generell nicht den ganz großen Hunger verspüre, kann ich mich noch etwas dem Dahindösen widmen, ehe es ab 5 Uhr ernst wird. Die nötigen Vorbereitungen sind mit dem Verstauen der minimalen Pflichtausrüstung im Rucksack längst abgeschlossen. Mittzuführen sind dabei lediglich ein Trinkbecher (für die Verpflegungsstellen), ein Liter Getränk (für die Überbrückung zwischen den Verpflegungsstellen), eine Stirnlampe (für die erste Stunde im Wald) sowie ein aufgeladenes Mobiltelefon mit dem eingespeicherten Notruf "112" (für unvorhergesehene Eventualitäten). Kurze Kleidung ist für unser Trio ebenfalls Pflicht, da sich das Quecksilber von anfänglichen 11°C noch bis zum Nachmittag auf 24°C hocharbeiten wird. Für die steilen Bergan- und Bergabsektoren haben wir unsere Teleskop-Gehhilfen dabei und ein paar über die Schuhe gezogene Stulpen runden die persönliche Schutzausrüstung nahezu vollständig ab.
Aufgrund der allgemein herrschenden Hygienehysterie gibt es diesmal keinen Massenstart, sondern ein Durchlaufen des Startbogens "mit Abstand". So entfällt das übliche Gedränge zu Beginn und eine endlos scheinende Lichterkette verzieht sich um den Parkplatz auf die Strecke. Als Absolvent des sogenannten "Heldentrails" durchläuft man zuerst den 47,5-km-Bogen des "Riesentrails" mit seinen 1.932 Metern im Anstieg (Start 7 Uhr) und gesellt danach noch die 17,4 Kilometer und 559 Höhenmeter des "Wichteltrails" (Start 10:30 Uhr) zu den persönlichen Laufdaten.
Schon im ersten Waldstück liegt diesmal ein überhöhter Pilzaroma-Wert in der Luft. Aufgrund der für die Wegfindung relevanten Nutzung des spärlichen Lichts der Stirnlampe sind jedoch die kurzlebigen "Bodendecker" noch nicht sichtbar. Doch mit fortschreitender Helligkeit wird das ganze Ausmaß des Pilzbewuchses so nach und nach begreifbar. Sagenhaft! Der Begriff, der auf Extraschildern auf viele Besonderheiten der Strecke hinweist, ist hier ebenfalls nicht übertrieben - ein wahres Pilz-Eldorado! Vielleicht gibt es ja im nächsten Jahr diese Hinweistafeln auf die im Überfluß vorhandenen Schwamme und die Pflichtausrüstung wird daraufhin um ein Taschenmesser und einen Pilzkorb erweitert. Jedenfalls säumen die Steinpilze, Braunkappen, Perlpilze, Ziegenlippen und Butterpilze schon zu Hauf nur allein den Wegesrand. Eine Sucherei im Unterholz wäre hier nur unnütze Zeitverschwendung. Fakt ist allerdings auch, daß viele der abgelaufenen Pfade "weit ab vom Schuß" und somit nicht im Einzugsgebiet des normalen Pilzgängers liegen. Mal sehen, wie hier der Veranstalter auf dieses (für Auswärtige) ungewöhnliche Naturschauspiel reagiert. Vielleicht gibt es ja dann Zeitgutschriften für den größten Pilzfang oder gar Pilzgerichte an den Verpflegungspunkten?
Eines dieser angesprochenen "Sagenhaft!"-Schilder steht zum Beispiel nach dem steilen Anstieg zur Döllberghütte, von der man einen (Fast-)Gesamtüberblick von Suhl erhält. Ein paar Kilometer weiter, am Nordhang des Salzberges verweist eine solche Tafel auf Thüringens steilsten Skihang. Er ist rund einen Kilometer lang und nimmt 236 Höhenmeter von der Uhr. Natürlich ist so eine anspruchsvolle Abfahrt (zwei Drittel sind dabei als "schwarze Piste" definiert) für mich nur mit Stöcken zu meistern und damit sehr zäh. Utes "Ski" hingegen sind bergab generell besser "gewachst" und somit läuft sie auf diesem Hang nahezu mühelos einen riesigen Vorsprung auf mich heraus.
Auch der Schneekopf und die kurz davor den Streckenrand säumende Teufelskanzel sind vom Veranstalter so beschildert. Sie bieten phantastische Aussichten auf den Thüringer Wald und lassen so wenigstens für ganz kurze Zeit das bestehende Trainingsdefizit und die daraus resultierenden muskulären Unannehmlichkeiten vergessen. Am VP "Am Adler" nach 32,5 Kilometern (dem Bergfest der Strecke) sind wir zwar eine viertel Stunde schneller als im Vorjahr, doch irgendwie ist auch der bisher schon recht spärlich vorhandene Dampf versiegt. Nach genau fünf Stunden Laufzeit nehmen wir die zweite Hälfte in Angriff und werden nach 7:01 Stunden beim Rundendurchlauf in Suhl registriert, was nur noch ganze zwei Minuten vor unserer 2019-er Zwischenzeit liegt. Ein paar Minuten Pause gönnen wir uns trotzdem, denn der sich nun anschließende Wichteltrail ist ja nun auch kein Spaziergang ... oder sollte zumindest nicht als solcher ausarten.
Mehr im Wander- als im Laufschritt gehen wir die kleine Runde an. Für den langen Anstieg zur Diestel nehmen wir die Stöcke zur Hilfe und werden sie auch bis zum Ziel nicht wieder im Rucksack verstauen. Eine Raubritterburg (die "Steinsburg") "beherbergt" die beiden letzten Verpflegungspunkte. Natürlich sind die Festung und deren üble Bewohner längst verschwunden und nur noch gutgelaunte und spendierfreudige Helfer vor Ort - ein Lichtblick! Es folgt eine 3,9-km-Runde auf längst zugewachsenen Hohlwegen, unterbrochen durch eine Treppe mit 74 Stufen (diesmal endlich durch leises Mitzählen ermittelt) und einer zweifachen Autobahnüberquerung, wobei die kultige Zusatzschleife von ca. fünf, sechs Metern um den Brückenpfeiler einmalig, resp. "Sagenhaft!" ist.
Beim zweiten Anlauf der Steinsburg (Kilometer 58,8) wird uns (der Tradition der letzten Jahre folgend) sogar Bier ("von unter der Ladentheke") verabreicht - eine wirklich hilfreiche Geste im mittlerweile recht stockenden Vorankommen. Doch nun geht es tendenziell bergab. Die verbleibenden 6,1 Kilometer der Strecke werden für mich mehr zur Mathematik-Olympiade, als zum Laufsportspektakel. Klar, gelaufen werden muß trotzdem, doch die größte Anstrengung verlagert sich ins Rechenzentrum im Oberstübchen. Da Utes Uhr sehr genaue Daten zur verbleibenden Reststrecke liefert, ist ein Ermitteln der Zielzeit recht einfach. Wenn wir weiter dranbleiben, wird es auf einen Zieldurchlauf von knapp unter zehn Stunden reichen. Doch Ute hat mit der Luft zu kämpfen und so werden (daraufhin von mir verordnete) kurze Wanderabschnitte sofort wieder gegengerechnet. Der Zeitpuffer wird daher nicht größer. Doch es reicht für unser Minimalziel - wir werden als letze Finisher unter zehn Stunden in die Ergebnisliste übernommen, was zwar keiner Erwähnung bedarf, aufgrund unserer recht legeren Vorbereitung doch akzeptabel erscheint - oder eben "Sagenhaft!", wie es der Thüringer formuliert. Platz 112 weist übrigens die "undankbare" Zeit von 10:00:00,1 Stunden auf und sollte somit auf alle Fälle Erwähnung finden. Ebenso ist das Meistern von bürokratischen (hygienerelevanten) Hürden dem Veranstalter bestens gelungen - und das bei einer Veranstaltung in dieser Größenordnung (coronabedingt Thüringens größte Ultralauf-Veranstaltung des Jahres)! Hut ab!
(runtix.com) | Nettozeit | Durchsnittsgeschwindigkeit | Gesamtpl. | m/w | AK |
Sieger Männer | 5:52:12,5 h | 11,06 km/h (3.071 m/sec) | 1 | 1 | 1 |
Siegerin Frauen | 7:56:01,0 h | 8,18 km/h (2.272 m/sec) | 34 | 1 | 1 |
Steffen Steinert | 8:47:21,1 h | 7,38 km/h (2.051 m/sec) | 60 | 56 | 8 |
Ute Herfurt | 9:56:31,4 h | 6,53 km/h (1,813 m/sec) | 110 | 14 | 4 |
Thomas Delling | 9:56:38,0 h | 6,53 km/h (1,813 m/sec) | 111 | 97 | 32 |
Letze Frau | 12:13:41,2 h | 5,31 km/h (1.474 m/sec) | 164 | 30 | 9 |
Letzter Mann | 12:18:18,6 h | 5,27 km/h (1.465 m/sec) | 165 | 135 | 42 |