26.12.2023 / 9:45 Uhr / 10,6 km / 150 Hm+ / 150 Hm- / Gruppenlauf
Tiefhängende Wolken über dem Muldental bei Heiersdorf verkünden dem Heimatkundigen nicht etwa Schlechtwetter durch Regen oder Schnee - nein, der Insider weiß sofort: der Burgstädter Laufverein veranstaltet wieder eines seiner überregional bekannten Rituale, den Fettverbrennungslauf. Über dem Tal liegt dieser Geruch, den man nicht wieder aus der Nase bekommt und der die logische Fortsetzung der vortäglichen Ausdünstungen des Gänsefleisch-Anbratens darstellt: verbrannte tierische Fette nebeln so auch weiterhin die Nasen der Laufinteressierten ein. Ute und ich lieben dieses Bouquet und sind deshalb auch wieder vor Ort, wenn die imaginären Schmelztiegel zum Verbrennen der Fette des weihnachtsfestrelevanten Federviehs angeworfen werden.
Vermarkten können sie sich, die Burgstädter Lauffreunde - das muß man ihnen lassen. Wenn man nämlich genauer hinschaut, erkennt man, daß hinter dieser schwülstigen Laufbeschreibung nichts anderes steckt, als ein ganz ordinäres Vormittagsläufchen ohne irgendwelche Zeit- oder Distanzvorgaben eines autistisch abgesteckten Trainingsplanes. Es ist ein Lauftreff (ähnlich dem sonntäglichen Frühschoppen), um an den stressigen Feiertagen (Zitat Karl Valentin: "Wenn die stille Zeit vorbei ist, wirds auch wieder ruhiger.") mal 'rauszukommen. Einfach, um einmal Luft zu schnappen oder das Bier trinken zu können, welches im Weihnachtswahn daheim nur "abgezählt" gereicht werden würde. Der Name der Veranstaltung beinhaltet soviel Gutes, daß man regelrecht daran teilnehmen muß! Man ist ja generell um seine Gesundheit besorgt und nimmt daher den Slogan dieses Zusammentreffens auch gern zur Vermarktung seines Egos nach den Feiertagen im Büro oder am Fließband. "Siehst du, der xyz macht wenigstens was für seine Figur, auch wenn es nicht so aussieht!", philosophieren dann die Kollegen hinter vorgehaltener Hand und geben sich damit meist indirekt die Schuld, weil es bei ihnen schon seit Jahren nicht für den perfekten Adonis-Körper reicht.
Rasante Talfahrt zur Zwickauer Mulde
Die BLV-er sind ausgeklügelte Marketing-Experten! Ein "Wir-treffen-uns-am-zweiten-Weihnachtsfeiertag-zum-Quatschen-Lauf" oder ein "Lauftreff am 2. Weihnachtsfeiertag" hätten nicht diese Strahlkraft und magnetische Anziehung auf Sportler. Kein Läufer bekäme für sein (... und da müssen wir doch mal ehrlich sein!) schräges Hobby mit so einem plump "ausgelegten Köder" von seiner "Regierung" für diesen Vormittag frei. Der Zusatz "Fettverbrennung" verleiht dem Läufertreffen doch eine ganz andere, eine regelrecht verpflichtende Note. Niemand wird dieser gute Ansatz verwehrt werden.
Den Abzweig der 23-km-Trainingsstrecke ignorierend, weiter auf der 27-er Runde!
Knapp 30 Leute aus allen Himmelsrichtungen treffen sich des Morgens am Heiersdorfer "Fettabscheider". Dort wird (ich umschreibe es mal leicht verständlich) "verbranntes und abgestoßenes Fett" des menschlichen Organismus in Trinkwasser und Feenstaub verwandelt, den bunte Einhörner wieder in den Lebenskreislauf einbringen. Ist alles ganz einfach! Schwieriger ist es da, ein vernünftiges Mannschaftsbild der Teilnehmer auf dem Klettergerüst des angrenzenden Spielplatzes zu schießen. Dieses Bild findet schließlich nicht nur intern Verwendung, sondern wird im "Burgstädter Anzeiger" vom gesundheitsbewußten Treiben der kartoffelkäferfarbenen Burgstädter Lauffreunde künden - eine Lokalzeitung, welche auch überregional gelesen wird, z.B. im Süden von Chemnitz.
Sonntagsspaziergang mal dienstags
Der Lauf ist dann auf eine Stunde begrenzt, obwohl es keine Vorgaben gibt. Die Stunde Laufzeit wird dann auch nicht eingehalten - logisch, wie soll man denn einen Zehner auf eine Stunde ausweiten? Doch hier ticken die Uhren anders, nämlich schneller und ein Zehner ist dann in 60 Minuten gar nicht machbar!
Bergwertung
Zur Eingewöhnung gibt es Asphalt für die Schuhsohlen, danach kultivierten Wiesenweg, ehe es teils naß und schlammig den Rest der Runde zu bewältigen gibt. Durchs Brauselochtal geht es 'runter zur Mulde und viel später wieder hoch, am Höllmühlenteich vorbei, zurück zum Ausgangspunkt. Trotz verschlepptem Tempo kommt der Trupp recht einzeln wieder an. Das liegt sicherlich an der Notwendigkeit des Fettverbrennungsrituals - und dieses ist beim Eintreffen des Gros der Läufer schon im vollen Gange.
Opfergaben für die Fettverbrennung
Im Pavillon des Spielplatzes sind die Utensilien für den Brauch schon ausgebreitet und die ersten BLV-er verbrennen bereits die ersten Fette. Nun geht es den Überbleibseln des Festes an den Kragen. Stollenteig, Weihnachtsgebäck, Glühwein, Bier - alles muß "verbrannt" werden, egal, ob da nun Fett drin ist oder nicht. Ein Hochofen fragt sicherlich auch nicht, ob es nur die reine Kohle ist, mit der er gefüttert wird. Da kommt nun mal alles rein, was weg muß. Dieses Prinzip läßt sich auch eins zu eins auf den Fettverbrennungslauf übertragen, denn weg muß hier so allerhand - nur eben nicht die Körperwölbungen. Doch davon erfährt der Leser des "Burgstädter Anzeiger" nichts. Es wäre auch verdammt ärgerlich, wenn dieser ganze Schwindel auffliegt - dann wäre das Argument, dem Streß am zweiten Weihnachtsfeiertag wenigstens für ein paar Stunden entfliehen zu können, unbrauchbar und das wollen wir doch alle nicht!
Es muß nicht immer nur Fett zum Verbrennen herhalten, auch diverse Holzarten eignen sich hervorragend dafür!
Danke, Burgstädter Laufverein! Danke für dieses epische Ereignis mit dem nie enden wollenden "Geruch verbrannten Fettes" und der nur kurzen (weil notwendigen) sportlichen Betätigung!