09.04.2022 | 7:30 Uhr | 27,6 km | 860 Hm+ | 860 Hm- | |||
Neudorf - Kreuzbrückfelsen - Eisenberg - Gifthüttenberg - Fichtelberg - Hinterer Fichtelberg - Brandberg - Pfahlberg - Taufichtig - Neudorf |
Winterbesteigungen gelten seit eh und je als das Nonplusultra, die Feiertage des Bergsports ... bei den prestigeträchtigen 14 Achttausendern hat diese nicht ungefährliche Sportart bis zum Januar 2021 gedauert, ehe auch der K2 als letzter verbliebener Kandidat im kalendarischen Winter bezwungen wurde. Das Ende der Fahnenstange des professionellen Höhenbergsteigens scheint damit erreicht und den Alpinisten scheinen somit die Ziele auszugehen.
Für den Otto-Normal-Gipfelstürmer gibt es in dieser Hinsicht jedoch noch viel abzuarbeitendes Material - vorzugsweise vor der eigenen Haustür, im Erzgebirge, beginnend. Im Osterzgebirge, um Altenberg und Zinnwald herum, wurde 2003/2004 14 Achthundertern (Erhebungen über 800 m) eine große Bühne bereitet, indem sie durch die sächsischen Himalaya-Experten Götz Wiegand und Frank Meutzner für die breite Öffentlichkeit (unter dem Aspekt der "14 Achttausender" in Dezimetern gemessen) publik gemacht wurden. Man konzipierte eine Runde, welche zu Fuß, mit dem Rad oder auch mit Schneeschuhen zu bewältigen ist. Ja, die Kindergeburtstage des Winterbergsteigens fallen eben immer etwas kleiner aus, wobei diese Tour en bloc dann auch um die 70 Kilometer beträgt! Daher muß wenigstens eine winzige Steigerung zu diesem mittlerweile zum Massentourismus angewachsenen Erfolgsprojekt auf den Tisch. Diese Herausforderung mit noch "dünnerer Luft" findet man (subjektiv gesehen) im Westerzgebirge mit der Besteigung von acht Tausendern am Fichtelbergmassiv bei winterlichen Verhältnissen.
Rund 40 Tausender hat das Erzgebirge in seinem Terrain plaziert. Dabei sind nicht alle dieser Tausender-Marken Bergen gleichzusetzen, oft handelt es sich um unscheinbare Meßpunkte auf bewaldeten Hügeln oder Plateaus. Die markantesten vierstelligen Erhebungen sind der Keilberg (1.244 m), der Fichtelberg (1.215 m), der Gottesgaber Spitzberg (1.115 m), der Plattenberg (1.043 m), der Pleßberg (1.018 m) und der Auersberg (1.018 m). Der Fichtelberg hat an seinen Hängen (je nach Interpretation) eine oder zwei Handvoll Tausender zu bieten, welche Ute und ich im Neuschnee des Vortages und dem noch darunter verborgenen Harsch des Winters in Angriff nehmen werden.
Acht Tausender sollen es der Symbolik halber werden - Kreuzbrückfelsen (1.018 m), Eisenberg (1.029 m), Gifthüttenberg (1.047 m), Fichtelberg (1.215 m), Kleiner Fichtelberg (1.206 m), Brandberg (1.059 m), Pfahlberg (1.027 m) und Taufichtig (1.001 m), welche Summasummarum mit 8.602 Metern nur unwesentlich "tiefer" als der K2 im Karakorum (8.611 m) sind. Bei soviel Mythos kann man auf die übrigen Tausender, namens Wurzelberg (1.031 m), Einsberg (1.020 m), Hirschfalz (1.044 m) und einem Meßpunkt im Waldgebiet Deutsch Gehau (1.032 m) gut und gerne verzichten, zumal sie auch nicht auf jeder Karte verzeichnet sind.
Bahnhof Vierenstraße (740 m üNN) / Gelber Weg
Ausgangspunkt für diese Unternehmung ist der Parkplatz am Neudorfer Bahnhof Vierenstraße der Oberwiesenthaler Kleinspurbahn, nur wenige Meter oberhalb des Startpunktes des alljährlichen Fichtelberglaufes (9,1 km / 550 Hm+). Der Abstellplatz am Ortsausgang Neudorfs ist des Morgens noch unberührt und so spuren wir als Tageserste den Neuschnee des Parkplatzes mit dem Kfz und wenig später ziehen wir auch die erste Spur per pedes in den Wald. Entlang der Bahnlinie nehmen wir den Gelben Weg bis zur "Schutzhütte an der Bimmelbahn". Dort biegen wir zum Bäreneck hinauf ab und gelangen auf dem Bärenfangweg und später dem Stümpelweg zum ersten Tausender der Tour. Eine steilere Schneise linkerhand kürzt die Wanderweg-Variante über die Stümpelhütte etwas ab.
Kreuzbrückfelsen (1.018,6 m üNN)
Kreuzbrückfelsen (1.018 m üNN)
Zwischen dem fast kniehohen Schnee erhebt sich ein rund fünf Meter hoher Felsblock, von dem man, wenn man der dazugehörigen Informationstafel Glauben schenkt, einen "schönen Rundblick über das Erzgebirge hat" (Keilberg, Wirbelstein, Kupferberg, Spitzberg, Haßberg, Hirtstein, Bärenstein, Pöhlberg, Scheibenberg, Gifthüttenberg). Doch diesen versperren die umstehenden, ins Alter gekommenen Fichten, wie ein Selbsttest zeigt. Vielleicht sollte die Beschriftung der Tafel deshalb mal von "hat" in "hatte" abgeändert werden.
Eisenberg (1.028,8 m üNN)
Eisenberg (1.028,8 m üNN)
Der Eisenberg befindet sich nun etwas abseits des Weges, an dem ein verwittertes Holzschild (in der Nähe der Stümpelhütte) auf dessen Existenz hinweist. Auf einer kleinen Waldlichtung markiert ein "Gipfelkreuz" den höchsten Punkt des Plateaus - völlig unspektakulär, als Berg nicht ausmachbar!
Gifthüttenberg (1.047,0 m üNN)
Waldgebiet Gifthüttenberg (1.047 m üNN)
Auf Schneisen talwärts laufend, gelangen wir zum ehemaligen Roten Vorwerk, jetzt Waldeck (979 m üNN). Auf dem an der Himmelsleiterhütte abzweigenden Ausrückeweg passieren wir die Quelle der Sehma (1.040 m üNN) und die Jägersteighütte (1.060 m üNN) - dann finden wir etwa 300 Meter weiter im Dickicht den nächsten Tausender - oder besser gesagt, wir finden ihn nur virtuell, per GPS. Eine Markierung für den Gifthüttenberg gibt es nicht, oder sie befindet sich unter dem Schnee!? Es ist ein bewaldetes Plateau mit Jägerstand und einer massiv gebauten (namenlosen) Hütte in unmittelbarer Nähe. Damit keine Verwechslung aufkommt: dies ist nicht die hölzerne "Gifthütte" (1.005 m üNN) am östlich verlaufenden Gifthüttenweg oder gar die wesentlich weiter nördlich befindliche "Schutzhütte Gifthüttenstraße" (930 m üNN)!
Reitsteighütte (1.094 m üNN) / Zschopauquellhütte (1.060 m üNN)
Durch die Tiefschnee-Hatsch in den Waldschneisen und dem weglosen Gelände sind neben den Füßen auch die Beine schön abgekühlt - stellenweise versinken wir inklusive den Oberschenkeln im Schnee und saugen mit den Schuhen das "Grundwasser" aus den Tiefen der versteckten Fahrspuren schwerer Forsttechnik auf. Es gibt sicherlich schönere Begleitumstände für diese Tour. Auf der Hirschfalzstraße normalisiert sich die Schneehöhe wieder auf "knöchelhoch" und wir passieren die Zschopauquellhütte, welche rund 90 Höhenmeter unterhalb des Zschopau-Ursprungs, auf 1.060 Metern liegt. Danach geht es über den Reitsteig hinauf zum "Dach Sachsens", dem Fichtelberg.
Fichtelberg (1.214,8 m üNN)
Fichtelberg (1.214,8 m üNN)
Dort weht ein eisiger Wind über das fast menschenleere Plateau, die Sicht ist nahezu Null und ein Stop im Freien (aufgrund der Auskühlung) nicht ratsam. Dabei bietet der Berg mit seiner reichhaltigen Bebauung genügend Unterschlupf zum Aufwärmen - doch kommt man danach auch nochmal in die Gänge? Wir riskieren dieses Szenario lieber nicht! Ungewöhnlich ist es jedenfalls nicht, daß sich der Gipfel weiß präsentiert, wurde doch hier oben auch schon im Sommer, am 6. Juli 1929 Schneefall notiert und (als Rekordwert) am 24. und 29. März 1944 eine mittlere Schneehöhe von 335 Zentimetern gemessen. Diese Zahlen stammen aus den Aufzeichnungen der seit 1916 auf dem Fichtelberg meteorologische Daten liefernden Wetterwarte.
Schon um 1600 herum begann die Bebauung des Fichtelberges - anfangs mit einem "Lust- und Jagdhaus". Im Jahre 1845 errichtete man ein acht Meter hohes Aussichtsgerüst, welches zwei Jahre später durch ein massives Haus mit hölzerner Außentreppe ("Belvedere") ersetzt wurde. Zudem gab es eine Zuflucht für Wandersleute, welche jedoch aufgrund der "Nachfrage" bald nicht mehr ausreichte. So baute man 1888/89 das (alte) Fichtelberghaus mit Aussichtsturm und Übernachtungsmöglichkeit, welches 1963 einem Großbrand zum Opfer fiel. In den Jahren 1965 bis 1967 entstand ein neues Fichtelberghaus mit einem 42 Meter hohen Aussichtsturm, das 1996/97 teilweise abgerissen wurde und 1999 mit einem 31-Meter-Turm wiedereröffnet wurde.
Neben einer Straßenanbindung ist der Fichtelberg seit 1924 mit einer Seilschwebebahn und ab 1963 mit Sessel- bzw. Schleppliften erreichbar. Auf der Fichtelbergstraße abwärts und der Alten Fichtelbergstraße aufwärts laufend, gelangen wir zum Kleinen oder Hinteren Fichtelberg.
Hinterer oder Kleiner Fichtelberg (1.205,6 m üNN)
Hinterer Fichtelberg (1.205,6 m üNN)
Diese Bergkuppe liegt an der ehemaligen Fichtelbergstraße, welche nun als Wanderweg zur Sachsenbaude führt. Der höchste Punkt ist mit einem Holzschild an einem Wegweiser markiert - auch ein Skilift endet auf dem Gipfel. Nach unzähligen Besuchen zu Fuß oder per Rad auf dem Fichtelberg ist dies nun unsere gemeinsame "Erstbesteigung" des Kleinen Fichtelbergs - Berg heil!
Bergab führt unsere Route nun zur Sachsenbaude und weiter am Skistadion vorbei Richtung Zechengrund. Nun könnten wir den Bogen der Tour über Gottesgab ziehen oder die Abkürzung auf der Tellerhäuser Straße im Bankett weiterlaufen. Wir entscheiden uns für letztgenannte (windgeschütztere) Option, da über die Freifläche um Gottesgab herum kräftige Schneeböen ziehen, die wir nun nicht auch noch auskosten möchten.
Brandberg (1.058,9 m üNN)
Brandberg (1.058,8 m üNN), bei OpenStreetMaps als "Wurzelberg" tituliert
Der Brandberg liegt an einer Schneise eines fichtenbewachsenen Plateaus zwischen Tellerhäuser Straße und Altpöhlaer Straße (Forstweg). Wir finden auch hier keine Markierung des höchsten Punkts und können uns nur anhand der leichten Wölbung der Geländeformation und der satelittengestützen Hilfe auf dem Telefon an der höchsten Stelle wähnen. Auf OpenStreetMaps wird der Brandberg allerdings als Wurzelberg angegeben, welcher als "eigenständiger Berg" (1.031 m üNN) etwas nordöstlicher an gleichnamiger "Straße" (Waldweg) zu finden ist. Im näheren Umfeld des Brandberges befinden sich mit dem Einsberg (1.026,3 m üNN oder Wegpunkt auf 974,2 m üNN) nordöstlich von Tellerhäuser und dem Deutsch Gehau/Hubertky (1.032,4 m üNN) südlich Tellerhäusers weitere Tausender der Kategorie "nicht als Berg definierbare Erhebungen".
Pfahlberg (1.027,5 m üNN)
Moor am Pfahlberg (1.027,5 m üNN) / Hochplateau Pfahlberg (993,2 m üNN)
Wir setzen unsere Gipfeljagd weiter Richtung Naturschutzgebiet Pfahlbergmoor fort. Dort befindet sich der Pfahlberg gleich doppelt: als höchster Geländepunkt am südwestlichen Ende des NSG und als markanter, historischer Punkt am nördlichen Ausläufer des Moors. Früher hieß diese Erhebung Großer Hemberg oder Hamberg und wurde durch die erste große Waldvermessung in dieser Gegend zum zentralen Punkt der Kartierung "des Großen Waldes nach Gottesgab" von Matthias Oeder im Jahre 1590 ausgewählt.
Auf dem Plateau (993,2 m üNN) erinnern Informationstafeln an die damaligen Vermessungstechniken. Auf dem historischen Rastplatz setzte Oeder einen zwölfeckigen Pfahl, mit dessen Hilfe er das Waldgebiet in zwölf strahlenförmig verlaufende Hauptflügel aufteilte, von denen heute noch neun erhalten sind. Von einer dieser Schneisen, der Pfahlbergstraße, biegt der Proviantweg ab, welcher uns zu unserem achten Tausender der Runde führt - dem Taufichtig.
Taufichtig (1.000,7 m üNN)
Taufichtig (1.000,7 m üNN)
Im Vergleich zu manch anderem Tausender des heutigen Tages ist der Taufichtig eine regelrecht markante Erhebung. Die mit Fichten bewachsene Felsformation setzt sich zwar nur gering von der Hochebene ab, ist aber noch deutlich genug als solche zu erkennen. Derzeit vergönnt einem die geringe Wuchshöhe der Fichten noch einen Blick über das gleichnamige Naturschutzgebiet und das Tal der Großen Mittweida. Eine Gipfelmarkierung finden wir nicht, dafür soll es aber ein Gipfelbuch geben, welches sich aber auf dem "Falschen Taufichtig" (975,7 m üNN) befindet.
Hütte am Prinzenweg (843 m üNN) / unterhalb Joachimsthaler Straße (900 m üNN)
Nun geht es hinab zur Großen Mittweida, einem von sechs Flüssen, deren Quelle am Fichtelberg liegt. Die Zschopau, die Sehma, und das Seifenbachel, welches das Schwarzwasser auf böhmischer Erzgebirgsseite "nährt", haben wir heute schon überquert. Mit dem Pöhlbach und dem Pöhlwasser fehlen noch zwei in dieser Sammlung. Das Wasser dieser sechs Flüsse "trifft" sich übrigens bei Sermuth in der Vereinigten Mulde wieder.
s Karz'l in Neudorf / Zschopauweg
Für den Rückweg nach Neudorf lässt sich dann sogar die Sonne blicken. Mit Am Steinel (951 m üNN) und Kuhbrückenberg (898 m üNN) liegen noch zwei "Berge" in unmittelbarer Nähe unseres Weges - sie sind jedoch nicht Bestandteil unseres "Acht-Tausender-Projektes". Im "Kaiserhof" von Neudorf (neben der Karzl-"Fabrik") wärmen wir danach unsere durchgefrorenen Knochen auf und holen die tagsüber entgangene Verpflegung nach - regionale Küche in gemütlicher Atmosphäre ... so, wie sicherlich jede Acht-Tausender-Winterbesteigung endet!