08.06.2013 - 10:00 Uhr - 42,195 km / 445 Hm+ / 445 Hm-
Auf geht's! (Foto: Mirko Brommont)
Der Marathon rund um den Tollensesee und die Lieps ist als der "Härteste im Norden" bekannt! Das hochsommerliche Wetter verschärft allerdings die gesamte Situation noch und so kommt es mir während des Laufes vor, als nähme ich am "Härtesten weltweit" teil. Die mir zugetragenen Legenden um Jungfrau, Untertage und was weiß ich was für Läufe verblassen für mich, während ich mich auf dem Rundkurs quäle.
Durch den am Freitagabend ausgetragenen Steinberglauf kommen wir erst gegen 21 Uhr aus Chemnitz weg. Vier Stunden später erreichen wir unser Quartier in Neustrelitz. Ein "Schlummertrunk" und das dazugehörige Gequatsche mit unseren Herbergsleuten Annett und Mirko zögern die Nachtruhe schließlich bis 2:30 Uhr hinaus und der "Lärm" der zwitschernden Vögel und das Klopfen des Spechtes beenden diese gegen 4:15 Uhr schon wieder.
Annett "darf" schon halb sechs Richtung Neubrandenburg los, da sie beim Aufbau des Start-/Zielgeländes mithilft. Wir (Ute, Mirko, Tell aus Dresden und ich) können den Tag entspannt angehen und brechen erst kurz vor neun in die Vier-Tore-Stadt auf. Die Sonne ist schon auf Betriebstemperatur und läßt sich den gesamten Sonnabend über nicht in ihrem Tun ausbremsen.
Es ist 10 Uhr, eine Minute und 19 Sekunden als ein ohrenbetäubender Kanonenschlag die Teilnehmer des Marathons und des Marathon-Staffellaufes auf den Kurs schickt. Während Tell vorn mitlaufen (sprich gewinnen) will, sind die Ziele von Ute (um 4 Stunden) und mir (wenigstens unter dreieinhalb) nicht ganz so hoch gesteckt.
Vom Kulturpark Neubrandenburg durchs Nemerower Holz gewährt uns die Streckenführung entlang des Tollenseseeufers noch ordentlich Schatten. Nach 8 Kilometern wechseln dann die Staffeln in Klein-Nemerow erstmals ihre Läufer und der Kurs wird sonniger. An den ersten beiden (von vierzehn) Verpflegungsstellen schütte ich mir, aufgrund des noch angenehmen Klimas, nur ein, zwei Becher Wasser zur Kühlung über den Kopf. Erst ab dem zweiten Staffelabschnitt beginne ich regelmäßig und viel an den Erfrischungspunkten zu trinken.
In Usadel, am südlichen Ende der Lieps, werde ich dann von der ersten Frau eingesammelt, aber ich bin nicht der Einzige an dem sie vorbeiläuft. Schon jetzt habe ich mit der Hitze zu kämpfen, daher ist der Kopf auch meist nach unten gerichtet. Die Straße nach Prillwitz säumen hier ungewöhnlich viele überfahrene Blindschleichen und kleine Ringelnattern. Was es "oben 'rum" zu sehen gibt, kenne ich noch von unserem Trainingslauf im März und konzentriere mich deshalb auf die Geschehnisse am Boden.
Neu für mich ist dann die Wendestrecke zum Schloß Hohenzieritz. Da muß ich dann auch ab und zu den Kopf mal heben, da ja Gegenverkehr herrscht. Tell kommt mir hier, an dritter Position liegend, entgegen. Ich erreiche nach 1:41 Stunden die Halbmarathonmarke im Schloßpark. Der Sprecher an der Zeitnahme erkundigt sich, während ich mich am Getränkestand bediene, nach meiner Herkunft. "Chemnitz in Sachsen! Der Läufer weiß, wie man die Anstiege bezwingt!", so seine Ansage für die Umstehenden. Weiß er das wirklich? Hat vielleicht jemand der Zuschauer zufällig die Startnummer M21 den "Berg" zum Schloß hochschleichen sehen? Ich hoffe mal nicht und "genieße" deshalb diese "Adelung" durch den Ansager.
Jetzt geht es aber erstmal wieder bergab. Die Schritte sind lang und ich kann das Tempo von zwei eben erst gestarteten Staffelläufern mitgehen. Im unteren Teil der Gegenverkehrstrecke kommt mir Ute entgegen. Kurze abfällige Handzeichen, die die körperliche Fitness betreffen und ein aufmunternder Blick, so die kurze Begegnung bei Kilometer 19,8 (für Ute) und Kilometer 22,8 (für mich).
Über Prillwitz, Zippelow und Wüstrow geht es weiter nach Alt-Rhese. Dort liegt nach 31,5 Kilometern wieder eine Zeitmeßmatte. Doch bevor ich diese erreiche, gönne ich mir mein mitgeführtes Gel - meine letzte Hoffnung im mittlerweile aussichtslos erscheinenden Kampf gegen die Zeit. Das Minimalziel 3:30 ist in Gefahr! Ein Staffelläufer (ca. hundert Meter vor mir) ist am Kollabieren - er wird von der Zuschauermenge regelrecht zum Wechselpunkt gebrüllt. Mein Einlauf am Verpflegungspunkt wird dagegen nur von Ute Mrotzek aus Neustrelitz honoriert: "Los Delle!" und "... das Sch..ß-Wetter!", schallt es mir entgegen, als ich völlig kraftlos durch den Ort laufe.
Kurze Zeit später, am Eingang zum Brodaer Holz, passiert sie mich dann auch mit dem Hinweis nur Staffelläufer zu sein und daß ich mich deshalb nicht verrückt machen soll. Ich sehe es aber mehr als Motivation, an ihr dran zu bleiben. Es gelingt mir auch den Abstand zu halten. Nur an den Verpflegungspunkten büße ich jedesmal "Sack und Zippel" ein, da ich jetzt das volle Programm mitnehme. Drei, vier Becher Wasser über den Kopf und zwei, drei Becher Wasser oder Cola gegen den Durst beanspruche ich mittlerweile, da vergrößert sich mein Abstand zu ihr natürlich jedesmal ganz ordentlich.
Bei jedem Kilometerschild wird kurz gerechnet, da ich aber unter 5 Minuten laufe und mir gar ein 5:05er, 5:10er oder gar 5:15er Schnitt zu U3:30 reichen würde, kann ich auch die Getränkestände reichlich erleichtern. Selbst zwei Kilometer vor dem Ziel betrinke ich mich nochmal standesgemäß, bevor es zurück in den Kulturpark geht. Eine Schleife durch das Grün folgt und mir gelingt es noch zwei Marathonläufer zu überholen. Es ist 13 Uhr 29 und 58 Sekunden, als ich unter dem Zielbogen meine Uhr anhalte. Geschafft! Glücklich bin ich trotzdem nicht, zu sehr hat der Lauf an der Substanz gezehrt.
Nach einer gelungenen Wiedereingliederung ins geordnete Leben durch den Genuß von viel Cola, Tee und Apfelstücken begebe ich mich wieder an die Strecke um auf Ute zu warten. Sie kommt im angestrebten Zeitraum über die letzte Steigung, in Form einer Brücke, mit Mirko als Zugpferd. Auch ich versuche die beiden noch läuferisch bis zum Ziel zu begleiten, muß aber kurz darauf abreißen lassen. Die Beine sind zu schwer und Ute will ich nun nicht auch noch ausbremsen.
Mit Medaille und Finisher-Shirt "behangen", schauen wir beide kurz darauf am Urkundenausdruck vorbei. Altersklassenplatz 4 für mich? Mit so einer Sch..ß-Zeit? Sogar einen Platz besser als am Vorabend! Und Ute? Sie bekommt hier keine Urkunde, sie soll sie sich bei der Siegerehrung abholen. Das war aber schon (irgendwie) vorauszusehen. Tell ist Gesamtdritter und Altersklassensieger.
Während der Siegerehrung wird noch einmal vom Veranstalter auf die Spendenaktion zu Gunsten des hochwassergeschädigten VfA Rochlitzer Berg hingewiesen. Auch wir steuern unseren kleinen Beitrag zur Minderung der enormen Schäden an Klubhaus und Sportplatzgelände, des von der Zwickauer Mulde getroffenen Vereins, bei.
Mirko (in Zivil) motiviert Ute auf den letzten Metern. Siegerehrung der Altersklasse W45.
Fazit: Nüchtern betrachtet (d.h. die Schmerzen mal ausgeblendet), liegt ein sehr schöner Landschaftslauf hinter uns. Die Organisation der Veranstaltung hatte alles fest im Griff, denn auf die Hitze wurde mit zusätzlichen Wasserstellen reagiert und ein Riesenaufgebot an Medizinern sicherte den Wettkampf ab.
Ergebnis Marathon - Männer: 121 Finisher
1. Prochaska, Jan (LG Nord Berlin) - 1. M45 - 2:57:18
2. German, Shenja (SV Turbine Neubrandenburg) - 2. M45 - 3:00:20
3. Wollert, Tell (laufend aktiv) - 1. M30 - 3:05:05
4. Stelter, Joachim (Müritz-Sportclub Waren) - 1. M20 - 3:09:54
5. Giesen, Frank (Airbus SG Hamburg) - 1. M40 - 3:10:04
6. Schölke, Thomas (Laufteam Rügen) - 2. M40 - 3:10:21
12. Delling, Thomas (LV Limbach 2000) - 4. M40 - 3:28:39
Ergebnis Marathon - Frauen: 20 Finisher
1. Giesen, Britta (Airbus SG Hamburg) - 1. W40 - 3:20:30
2. Cools, Kerstin (HSV Neubrandenburg) - 1. W50 - 3:36:15
3. Heinemann, Anne (SV Robotron Dresden) - 2. W40 - 3:46:55
4. Ratz, Dörte (Ammersbek) - 3. W40 - 3:50:40
5. Raschke, Kerstin (Team Bau Lauf Rügen) - 1. W45 - 4:01:29
6. Baarck, Carolina (Neubrandenburg) - 4. W40 - 4:03:12
7. Herfurt, Ute (LV Limbach 2000) - 2. W45 - 4:06:56
Veranstalterseite: www.tollenseseelauf.de