14.07.2012 - 10:00 Uhr - 24 Stunden auf flachem 1.197,74 m-Kurs (5 Hm+ / 5 Hm-)
Aufnahme: Tilo Kozlik
Es ist Sonntag früh um 10 Uhr und ich sitze, wie ein Häufchen Elend, mitten auf der Ringstraße im vogtländischen Reichenbach. Soeben habe ich neben mir ein mit meiner Startnummer gekennzeichnetes Holztäfelchen auf dem Asphalt abgelegt. Es ist geschafft, 24 Stunden in der permanenten Vorwärtsbewegung sind vorbei! Ich bin froh, das die Quälerei ein Ende hat. Das die richtigen Schmerzen aber erst jetzt beginnen sollen, merke ich beim Aufstehen und beim sich anschließenden Gratulations-Gang zur Siegerin der Frauenwertung ...
Der Sonnabend ist wolkenverhangen und auf unserem Weg von Chemnitz nach Reichenbach steigern einsetzende Regenschauer nicht gerade unsere Lust auf eine 24-Stunden-Freiluftveranstaltung. Das Wetter bessert sich aber. So wird uns auch bei der Startnummernausgabe ein Schirm mit dem Veranstaltungslogo, der zum Starterpaket dazugehört, als Sonnenschirm "verkauft". Was soll da jetzt noch schief gehen?
Naja, etwas "unprofessionell" war unsere Vorbereitung, so hatten wir zwar das Fahrzeug voller Laufutensilien gestopft, aber ein paar Sachen fehlten dann doch. Wenn man den ganzen Tag unterwegs ist, könnte man seinen Füßen schon Laufschuhe mit Dämpfung gönnen und muß nicht unbedingt auf die leichten Wettkampfschuhe zurückgreifen, zumal bis auf die Stadionrunde (Tartan) die Laufstrecke nichts "Abfederndes" zu bieten hat. Auch die Einreibe für Hinterher wartet geduldig daheim auf ihren Einsatz, ebenso das in Pontresina erworbene Mineralstoffgemisch für länger andauernde Belastung steht mitnahmebereit auf dem Küchentisch. Ein Lauf- bzw. Trinkgurt wäre auch nicht von Nachteil gewesen.
Um es aber vorweg zu nehmen, die vom Veranstalter angebotene Verpflegung war für uns mehr als ausreichend. Sonderwünsche fanden Berücksichtigung und so frage ich mich im Nachhinein, warum ich nach ca. 4 Stunden ein Gel aus unserer Kollektion genommen habe? War es Gewohnheit, oder gar Zwang? Klar ist, das der 40. Becher Cola nicht mehr so schmeckt wie der Erste, dafür aber die Kuchen- oder Wurstsortimente ständig wechselten. Für reichlich Kalorienzufuhr war also gesorgt, es galt ein Defizit von 13.622 kcal (laut Pulsuhr) auszugleichen. Und das ist der Bewirtung im Wasserturmstadion sehr gut gelungen.
Und nicht nur ihnen gebührt ein großes Lob, sondern auch all den anderen Helfern, Zuschauern, den Fotografen und dem Sprecher. Da gehört schon viel Humor dazu, wenn man z.B. neben dem elektronischen Rundenzähler sein Wochenende verbringt und das ständige Gepiepse beim Durchlauf registrieren und notfalls korrigieren muß.
Bei Sonnenschein werden die Läufer um 10 Uhr am Sonnabend auf die Runde geschickt. Es weht ein zeitweise heftiger Wind, so das man auf der Ringstraße Richtung Wasserturm doch ganz schön zu tun hat, um die Spur zu halten. Es geht einmal um das in einem Park stehende Wahrzeichen der Stadt und wieder zurück ins Stadion. Ich laufe die ersten 3 Stunden konstant zwischen 6:55 und 7:05 Minuten durch den Startbogen. Dann gibt es die erste, der stündlich folgenden Zwischenwertungen. Meine Plazierung zu diesem Zeitpunkt kann ich nicht mehr nachvollziehen, Ute hat die Führung in der Frauenwertung inne. Natürlich sind diese Wertungen Null und Nichtig, wenn man überlegt, wie lang man noch unterwegs ist.
Ich entschließe mich aber dazu die nächsten Stunden mit Ute gemeinsam zu laufen, sie baut ihre Führung im Klassement immer weiter aus und nach 8 Stunden stehe auch ich ganz vorn in der Liste. Aber das will ich nicht überbewerten. Ich hatte mich vor dem Lauf mal über die Starter in der DUV-Statistik kundig gemacht, daher weiß ich auch um die Qualitäten der Anderen. Ein 6. Platz müßte aber drin sein, mit so ca. 160 bis 170 erlaufenen Kilometern, so mein Ziel.
Kurz vor 18 Uhr erfolgt dann ein Kurzbesuch von Simone, Siggi, Tilo und Sven an der Strecke. Sie waren zum Genußlauf in Plauen und auf dem Rückweg nach Chemnitz geradezu verpflichtet uns zwei "Irren" einen Besuch abzustatten. Danke fürs Anfeuern, Danke das euch "Burgstädtern" ein "Limbach, Limbach!!" über die Lippen rutschte! Bleibt zu hoffen, das ihr dafür auch vereinsintern "straffrei" behandelt werdet.
Es geht in die Nacht - auf der Runde wird es übersichtlicher. Wir wollen uns aber keine Pause gönnen und machen durch. Wer sitzt oder gar schläft, der verliert! Also "wandern", laufen, "wandern"! Während sich Ute zwischendurch komplett ihrer durchgeschwitzten Sachen entledigt und sich warme Kleidung überwirft, versuche ich mich nochmal im Meter-Machen. Es läuft sehr gut, nur hätte ich mir doch lieber auch die Zeit des Umziehens gegönnt. Es ist Sternenhimmel und nicht gerade sehr warm. Ich friere wie ein Schoßhündchen, obwohl ich mir Weste und Regenjacke drübergezogen habe. Natürlich aus "Zeitgründen" über das nasse Hemd und die feuchten Armlinge. Das rächt sich bitter und ich habe ganz schön mit mir zu tun.
Jetzt hab ich alles auf einen Hieb - Blasen an den Füßen, Schmerzen in den Beinen, der Pulsgurt hat sich auch in den Oberkörper gefressen und verursacht auch einen stechenden Schmerz, die Hände sind dick, das Gesäß ist aufgerieben und ich bin am Auskühlen. Der WC-Besuch betätigt meinen schlechten Zustand. Beim Händewaschen glotzt mich einer mit knallroten Augen und fahlem Gesicht aus dem Spiegel an. Jetzt aber raus hier, bevor der dir noch was antut, denke ich und begebe mich wieder auf die Strecke. Dort bin ich wenigstens unter Leuten.
Die Nacht ist schon verdammt lang, umso schöner ist der Sonnenaufgang. Wir haben uns die Dunkelheit mit "Nur noch 10 Stunden, 9 3/4 Stunden, ... usw." schöngeredet. Utes Vorsprung auf Platz 2 beträgt mittlerweile gegen 4 oder 5 Uhr satte 31 Kilometer. Sie soll es nur noch verwalten, rate ich ihr. Ich muß allerdings nochmal um Platz 3 kämpfen, zu ungenau erscheinen mir die Zwischenresultate und darauf will ich mich nicht verlassen. Die Blasen an den Fußsohlen sorgen für eine ordnungsgemäße Dämpfung des Bewegungsapparates. Die Schmerzen aus der Beinmuskulatur gehen in die Füße über und die ersten Sonnenstrahlen geben mir endlich wieder etwas Wärme zurück. Der Hals- und Schulterbereich ist allerdings so verspannt, das ich Probleme habe die Zwischenzeiten auf der Uhr abzulesen.
Vorn ist alles klar, der Belgier Chris Dhooge zeigt, das er nicht zum Spaß hier ist und spult eine Schleife nach der anderen im gleichbleibenden Tempo ab. Zusammen mit dem Reichenbacher Jens Walther drehe ich dann, zwecks Unterhaltung, auch noch ein paar Runden. Er hat auch Probleme mit Blasen an den Füßen, aber er zieht das Ding ebenfalls konsequent durch.
Irgendwann in der Nacht bekam ich von Ute zu hören, das ich doch auchmal eine sinnvolle Wochenendgestaltung vornehmen könne. Jetzt als ich auf dem Weg zu ihr zum Gratulieren bin, dürfte sie anders darüber denken. Zwar spielen sich unsere "Bewegungen" jetzt nur noch in Zeitlupe ab, aber wir können uns gemeinsam über Utes Sieg freuen. Einen weiteren 24-Stundenlauf haben wir aber bestimmt nicht so schnell wieder im Terminkalender stehen.
Vor der Siegerehrung humple ich "schnell" nochmal beim DRK vorbei. Obwohl sie schon beim Zusammenpacken sind, ist es für sie ganz selbstverständlich mir noch die Blasen an den Füßen zu behandeln. Danke!
Zur Ehrung werden alle anwesenden Läufer nach vorn gerufen und erhalten ihre Urkunde, auf ein Siegerpodest wird aus humanitären Gründen verzichtet. Die Tribüne dankt es den Veranstaltern mit donnerndem Applaus. So geht eine, aus meiner Sicht, hervorragend organisierte Laufveranstaltung zu Ende.
Ergebnis Männer: 33 Teilnehmer
1. Dhooge, Chris (A.V. Lokeren - BEL) - 1.M40 - 213,206 km
2. Thieme, Günter (TSG Glauchau) - 1.M45 - 183,954 km
3. Delling, Thomas (LV Limbach 2000) - 2.M40 - 181,622 km
4. Lid, Rainer (Laufsport Senden) - 1.M60 -176,479 km
5. Burger, Rüdiger (Team Icehouse e.V.) - 1.M50 - 168,094 km
6. Walther, Jens (Reichenbach) - 3.M40 - 165,688 km
Ergebnis Frauen: 6 Teilnehmerinnen
1. Herfurt, Ute (LV Limbach 2000) - 1.W45 - 164,539 km
2. Kosche, Kathrin (LG Vogtland) - 2.W45 - 139,266 km
3. Hausmann, Martina (LG Würzburg) - 1.W50 - 130,972 km
4. Hauser, Ramona (VfL Dettenhausen) - 3.W45 - 104,872 km
5. Kunze, Christel (LG DUV) - 1.W75 - 85,222 km (Deutscher AK-Rekord!)
6. Löffler, Jana (Gesundheitsstudio Salmonat Gelenau) - 1.W40 - 51,508 km
Veranstalterseite: www.24-stundenlauf.de