14.08.2016 | 10:00 Uhr | 5,2 km | 1.015 Hm+ | 5 Hm- |
Heimgarten-Berglauf - das klingt, auf Chemnitzer Wortschatz gemünzt, ein wenig nach doppelter Küchwald-Runde oder Schrebergarten-Sportfest mit Kindern. Also ganz seichte Kost für zwischendurch, wenn es der sportliche Ehrgeiz mal wieder erfordert! Wer sich aber mit den Fakten dieser Veranstaltung auseinandersetzt, wird feststellen, daß man hierbei schon etwas mehr investieren muß, als nur halbseidenen Bewegungsdrang. Mit durchschnittlich 19,5 % Steigung ist der "Heimgarten" schließlich Deutschlands steilster Berglaufwettbewerb.
In diesem Jahr paßt es nun endlich mal in unsere Urlaubsplanung, diese vertikale Herausforderung anzugehen. Wobei Ute (klugerweise) schon im Vorfeld abwinkt - so einen Zwang muß sie sich nicht antun! Trotzdem machen wir uns am Vortag gemeinsam von Grafenaschau über den Kochelweg durch das Naturschutzgebiet "Murnauer Moos" nach Ohlstadt zur Inspektion der Strecke auf den Weg. Ist ja auch nicht schlecht, wenn man weiß, auf was man sich da einläßt und noch eine Nacht drüber schlafen kann. Der erste "Schock" folgt schon am Parkplatz, dem Start des Laufes: mit sage und schreibe vier Stunden ist der Heimgarten hier angeschrieben. Dies klärt sich jedoch recht schnell, denn die Beschilderungsdaten nehmen inflationär zum Wanderergebnis ab und so sind wir in eindreiviertel Stunde oben an der Schutzhütte (dem Ziel). Zum Heimgarten-Gipfelkreuz sind es dann keine weiteren fünf Minuten für eine grandiose Rundumschau auf die Alpen und bis nach München. Ein sehr fordernder Berglauf steht mir also bevor. Neben dem, aus den Höhenmetern resultierenden straffen Anstieg ist auch die Wegbeschaffenheit nicht ohne. Anfangs lullt ein breiter (aber sehr steiler) Fahrweg den Teilnehmer noch weitgehend ein. Später folgen verwurzelte und mit Holz"stufen" gespickte Pfade, welche kurz vor Ende, am Beginn des Grates, in einer fast senkrechten Betonrampe gipfeln. Mit dem Verlassen der Latschenbewaldung hat man zwar diese, oben schon beschriebene, einmalige Aussicht - beim Wettkampf sollten die Augen jedoch am Boden verweilen, da es sonst schnell zu "Unregelmäßigkeiten" im Bewegungsablauf kommen könnte.
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Stufen | Wurzeln |
Der Wettkampftag beginnt mit einem üppigen Frühstück in der Pension. Gegen halb neun treffen wir am Parkplatz, dem Ausgangspunkt der Wandertouren zum Heimgarten, ein. Für 11 Euro (Vormeldung) oder 17 Euro (Nachmeldung) gibt es die Startnummer, pünktlich 8:45 Uhr erfolgt der kostenlose Gepäcktransport zum Zielbereich. Ute ist da schon im Laufschritt unterwegs hinauf. Sie wollte sich nicht dem Wettkampfdruck aussetzen, aber trotzdem ambitioniert den Berglauf meistern. Die Zeit bis zum Start verdautel' ich mir mit viel Ruhe (vor dem Sturm). Auf keinen Fall laufe ich mich auch nur einen Meter ein - diese Körner könnten dann ja im Anstieg fehlen! Deshalb erfrische ich mich lieber etwas im nahen Bach oder lasse die Beine auf der Park(platz)bank baumeln.
Das Herunterzählen beginnt bei drei. Dies übernimmt der Cheforganisator, der natürlich auch mitläuft. Schnell zieht sich das Häuflein auseinander und im hinteren Teil versuche ich mit den Einheimischen Schritt zu halten. Auf der breiten, geschotterten Forststraße ist dies ja noch recht "einfach", aber irgendwann ist dieses Pulver aus Startadrenalin und Übermut verschossen. Ziemlich schnell beginnt sich der Schmerz in den Beinen auszubreiten. Manch einer vor mir ist bereits im Wandermodus - das will ich mir jedoch noch nicht antun und beiße deshalb weiter. Die Streckenführung wechselt nun ins Gelände - laufen, gehen, laufen. Mein internes Ziel, unter einer Stunde zu bleiben, rückt hier schon in weite Ferne. Es folgen die Stufen aus Rundholz und am Zusammenfluß der Bäche von Hingmoos- und Schwarzraingraben steht ein mit Wasserbechern "beladener" Traktoranhänger bereit. Zwei Becher greife ich mir und schütte einen in den Kopf und einen über den Kopf. Dann geht es über beide Zuflüsse des Kaltwassers und parallel zum Schwarzraingraben Richtung Bärenfleckhütte (1.240 m). Dort säumen mehrere Zuschauer den Weg und applaudieren - mir fehlt jedoch die Kraft zum Dank und so schleiche ich mich mit gesenktem Kopf an ihnen vorbei.
In weit ausladenden Kurven und weiterhin sehr steil steuern wir nun den Grat zwischen Rauheck und Heimgarten an. Ich laufe in einer Vierergruppe unter der Führung von Heinz Priewich, der bisher alle 30 Heimgarten-Bergläufe absolvierte. Auf einem breiten Rücken wird das Schlußstück zum Heimgarten eingeläutet. Der Weg ist hier stellenweise mit Beton verfestigt worden und sehr unrund zu laufen. Am östlichen Hang des Berges führt nun ein mäßig steigender Weg ins Ziel. Jetzt kann ich wenigstens noch einmal etwas Fahrt aufnehmen, überhole und schließe die anfangs recht große Lücke zu meinem (neuen) Vordermann immer mehr. Auf einen Zweikampf um Platz 46/47 mit Berglaufwelt- und Europameister Helmut Reitmeir lasse ich mich dann aber doch nicht ein. Wäre ja auch ein tolles Zielbild, wenn der Mittvierziger den M70-Sieger noch von der Ziellinie schubst (vorausgesetzt, es hätte dazu gereicht). Da hätte ich mich schon mal weiter "unten" bemühen müssen. So komme ich drei Sekunden hinter ihm zwischen den zwei gesteckten Skistöcken an der Zeitmessung (1.770 m) an.
Durchatmen, Banane und Getränk schnappen und ein erster Uhrenvergleich, denn dies hatte ich mir unterwegs verkniffen! Hoppla - hatte ich doch schon, aufgrund meiner Schleicherei, eine Zeit um die 70 Minuten erwartet, registriere ich jetzt eine 1:01:26. Das ist zwar trotzdem recht deutlich über dem, von mir anvisierten Ziel von 59:59 Minuten - doch wo hätte ich noch Reserven gehabt? Egal, Hauptsache oben! Ute hat die Strecke in "Eigenregie" in 1:14:02 Stunden (eine kurze Unterhaltung mit dem Wegewart wurde natürlich herausgestoppt) absolviert.
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Tobias Riesch | Melanie Albrecht |
An der Heimgarten-Hütte geht kein Apfel mehr zu Boden. Neben dem Tross der Bergläufer säumen Dutzende von Bergwanderern (bei Kaiserwetter) die freien Stellen um und in der Wirtschaft. Wie schon am Vortag müssen die Küchenleute im Akkord die eingehenden Bestellungen abarbeiten. Gegen 12:45 Uhr beginnt die Siegerehrung. Es werden dabei alle Altersklassenlisten, mit dem Letzten beginnend, vorgetragen und die ersten Drei geehrt. In der AK M45 reichte meine Zeit für den vorletzten Platz. In der anschließenden Tombola bescherte mir meine Startnummer (126) dafür einen Asics-Laufrucksack. Alles richtig gemacht! Dementsprechend froh und locker wird der Abstieg ins Tal angegangen. Wie gestern gönnen wir uns noch einen Abstecher ins örtliche Cafe mit angeschlossenem Eisverkauf, wobei nur die auf dem Telefon einflatternden Fußballergebnisse aus der Heimat den Tag noch etwas trüben.
Männer: 64 Teilnehmer | ||||
1. | Riesch, Tobias | SC Gaißach | 1. M30 | 44:05 min |
2. | Stredele, Rupert | SVO Germaringen | 1. M20 | 44:18 min |
3. | Schweiger, Franz | DJK Rettenbach | 1. M45 | 44:59 min |
4. | Haferkamp, Lars | Murnau | 1. M35 | 45:41 min |
5. | Fleischer, Felix | NSV Wernigerode | 2. M20 | 47:26 min |
6. | Bogya, Tamas | Nürnberg | 2. M30 | 47:53 min |
41. | Delling, Thomas | LV Limbach 2000 | 10. M45 | 61:26 min |
Frauen: 17 Teilnehmerinnen | ||||
1. | Albrecht, Melanie | Team Salomon | 1. W20 | 49:25 min |
2. | Danner, Regina | SC Gaißach | 2. W20 | 52:54 min |
3. | Danner, Heidi | SC Gaißach | 1. W50 | 55:38 min |
4. | Härtl, Anke | Rennsteiglaufverein LG Süd | 2. W50 | 55:39 min |
5. | Häsch, Barbara | SC Moosheim | 3. W50 | 58:59 min |
6. | Brunner, Alena | ESV Bad Bayersoien | 3. W20 | 60:47 min |
Bilder folgen im September.