12.09.2019 | 18:15 Uhr | 8,7 km | 75 Hm+ | 75 Hm- |
Fast hätte die 37. Auflage des Zschopautallaufes den folgenden Morgen (am Freitag dem 13.) zum "Schwarzen Freitag" der börsennotierten Wettanbieter gemacht. Zu hoch hatten diese ihre Quoten geschraubt, daß Jens Mende kein weiteres Mal der Erdmannsdorfer Laufveranstaltung fern bleiben würde. Ein minimaler Einsatz garantierte dabei einen wirklich unbeschwerten Lebensabend nach mitteleuropäischem Standard. Doch selbst der waghalsigste Zocker machte von diesem Angebot keinen Gebrauch und war bereit auch nur einen Pfifferling auf Jens' Sinneswandlung zu verspekulieren - es erschien wesentlich realistischer, sein Vermögen auf eine, während des Wettkampfes wegen Lawinengefahr gesperrte Paßstraße zwischen Hennersdorf und Kunnersdorf (dem "Scharfrichter" der Strecke) zu setzen!
Drückt sich Jens also weiterhin vor dem Pflichttermin in Erdmannsdorf, der einer inoffiziellen Mitgliederversammlung des LV Limbach 2000 gleichkommt? Findet er wieder eine Ausrede, um nicht am Vereinsleben teilnehmen zu müssen? Er hält sich diesbezüglich sehr bedeckt. Es gibt keinerlei Anzeichen, ja nicht einmal ein Lebenszeichen von ihm. Vielleicht liegt dies auch an der Vielzahl Drohungen, die er über WhatsApp im Vorfeld des Zschopautallaufes erhält? Seine Reaktionslosigkeit verunsichert jedoch und läßt jede Menge Interpretationsspielraum.
Es sind die Alten, die die LVL-Fahne im Zschopautal hochhalten ... und es ist nur noch ein Häuflein. Ein Häuflein, das man im Gewühl der unzähligen Kinder und deren Eltern, welche Teil des Vor-Erwachsenen-Programmes sind, regelrecht suchen muß.
So langsam bereitet sich der Tag auf seine verdiente Nachtruhe vor. Die Bewölkung zieht schon mal den Vorhang am Himmel zu, damit dahinter die Sterne plaziert werden können. Auf dem Erdmannsdorfer Fußballplatz finden derweil die finalen Vorbereitungen auf die bevorstehenden Wertungsläufe im Chemnitz-Cup statt - Hoppeln, Dehnen, kurze Sprints. Alles wie immer. Doch irgendwas ist diesmal anders! Eine Spannung bis zum Zerreißen liegt über dem Tal. Kein Gewitter oder Unwetter, auch der mögliche Schneefall am Hennersdorf-Kunnersdorfer Alpe d'Huez bleibt aus. Nein, viel mystischer! Ein Lichtkegel bricht sich so nach und nach durch die Wolkendecke, in dessen kreisrunden Lichtfleck am Boden ein dunkel gekleideter Fastsechziger das gut besuchte Areal betritt. Die Zeit steht still, der Atem stockt - es ist ... Mario! ... Mario Schneider! Nein, falsch! Aber fast! Wie hieß der doch gleich, der damals noch zu unserem "Chemnitzer Trio in Limbacher Diensten" gehörte. Ingo? Rolf? Irgend so ein kurzer Name war es doch! Erst als jemand zaghaft fragend "Jens?" in die erstaunte Runde flüstert, hilft mir mein Langzeitgedächtnis wieder auf die Sprünge. Es ist in der Tat Jens Mende!
Fragen und Selfie-Wünsche prasseln fortan auf ihn ein. Doch mit dem Start der 4,8 Kilometer um 18:10 Uhr und dem Beginn der 8,7er fünf Minuten später hat er erstmal wieder seine Ruhe. Ruhe, die er für die "Lange Nacht von Erdmannsdorf" (in Anlehnung an den Slogan des 24-Stundenlaufes von Reichenbach) bitter benötigt, denn dann gibt es keine Ausreden und auch kein Verschnaufen! Das gibt es für uns Aktive allerdings jetzt schon nicht. Auch wenn "Fisch" Marco, Ute und ich aus der letzten Startreihe auf den Kurs gehen und so anfangs das gemütliche Flair des Laufes genießen, wird es nach rund einem Kilometer "hektischer". Die Atmung überschlägt sich und die Beinmuskulatur beginnt zu schmerzen, der Schweiß läuft und der starre Blick verläßt den Tunnel so gut wie nicht mehr. Bis Hennersdorf geht es flach dahin. Tempo? Fehlanzeige! Der 15%ige Anstieg zum Paß folgt. Kein Schnee! Keine Lawinengefahr! Beste Bedingungen! Ein emotions- und kraftloser Trott zum höchsten Punkt der Strecke wird unter der Begutachtung eines Zuschauers (absoluter Minusrekord für solch einen neuralgischen Punkt!) vollzogen. Die anschließende Talfahrt mit 14% Gefälle ist nur geringfügig schneller.
Das flache Finale über die Auwiese verkommt bei mir zum Steherrennen, bis "Fisch" Marco von hinten anschiebt. Gemeinsam wackeln wir nun die letzten zwei Kilometer bis zur Ziellinie ab. Ein Fotofinish beschließt nach 41 Minuten und 37 Sekunden unseren Sportnachmittag. Auch wenn Marco keine Probleme mit dieser Zielzeit hat, sehe ich das schon etwas kritischer! Zum dritten Mal wurde mir bei einem Volkslauf die Startnummer 333 zugeteilt. So etwas sehe ich als eine Art Ehre und somit Verpflichtung. Schon bei meiner Erdmannsdorf-Premiere 2007 wurde ich mit der dreifachen Drei registriert. Auf der damaligen 9,5-Kilometer-Distanz (mit Zusatz über den Aufstieg zum Kunnerstein) gelang mir eine 43:43 für die Ergebnisliste. Beim 33. Küchwaldlauf 2015 trug ich die 333 sogar nach 43:33 Minuten ins Ziel. Und nun? Zahlen aus dem Nirgendwo! 41:37 - ergibt Quersumme 15, entspricht 2.497 Sekunden, macht 'nen 4:27er Schnitt. Die Zahlen 41 und 37 sind zwar kongurent modulo 2 und 4 - doch das ist ja nun ebenfalls keiner Erwähnung wert! Bei diesem unsymmetrischen Zahlensalat wird mir die Triple-Drei sicherlich nicht so schnell wieder zuteil!
Naja, zum Glück gibt es noch den Abspann. Dieser ist meist länger, als Wettkampf mit An- und Abreise zusammen. Gesprächsthemen heute: u.a. das unterschiedliche Verhältnis von Bier und Blume im Becher (dreimal B!). Unbestreitbar ist dabei, daß eine Blume nur unnütz Becher-Volumen für Bier "wegnimmt" und deshalb nicht zwingend auf das Hopfengetränk gehört - so wie Senf, der nur auf die Bratwurst gehört, wenn er scharf ist. Da dies jedoch der subjektiven Betrachtungsweise geschuldet ist, kann ich den Grillmeister nun mal nicht zwingen, seinen gängigen "Bautz'ner Mittelscharf" gegen den einzig wahren "Esina Scharf" zu ersetzen. Nebenbei erfahre ich von ihm, daß es in Erdmannsdorf auch mal einen Senfhersteller gab, der aber seine Rezeptur "mit ins Grab genommen hat". Doch dies könne ich nicht wissen, dafür wäre ich noch zu jung (Danke, auch ich freue mich mittlerweile über solche Komplimente!).
Standesgemäß endet der Abend für die Limbacher Delegation weit nach dem Aufessen der Grillware, dem Austrinken des Faßbieres und Löschen des Flutlichtes mit dem Abschließen des Sportplatzgeländes. Tradition ist nicht das Halten der Bierbecher, sondern das Stühlehochstellen zum Halali. Dieses "Aufbewahren der Asche" klappt mit den gestandenen Limbachern, doch zum "Weiterreichen der Flamme" fehlt auf längere Sicht der Nachwuchs. Folglich: nächstes Jahr - gleiche Stelle, gleiche Leute, gleicher Ablauf!
PS: Ute gewinnt bei ihrer achten Teilnahme zum sechsten Mal ihre jeweilige Altersklasse (42:56 min) auf der langen Strecke (2010, 2014, 2015, 2016, 2018 und 2019) - zweimal (2009 und 2013) wurde sie nur Zweitschnellste der Ak.