12.05.2012 - 6:00 Uhr - 72,7 km / 1.470 Hm+ / 969 Hm-
Als am 12. Mai 1973 die 4 Laufenthusiasten Hans-Georg Kremer, Wolf-Dieter Wolfram, Hans-Joachim Römhild und Jens Wötzel zu einem 50-Meilen-Lauf von Eisenach nach Masserberg starteten, ahnten sie sicherlich nicht, das dies die Geburtsstunde für Europas größten Crosslauf werden würde, welcher jedes Jahr im Mai das Läufervolk in seinen Bann zieht. Die 17.601 Anmeldungen zur 40. Auflage des Rennsteiglaufes bestätigen die Beliebtheit dieser Veranstaltung.
Der Freitag zeigt sich in Eisenach von seiner sommerlichen Seite, 30°C und Sonnenschein satt, Gewitter kündigen sich an und gegen Abend schüttet es dann wie aus Eimern. Zum Glück haben wir nach der Startnummernabholung zur anschließenden Kloßparty nicht auf den Garnituren auf dem Marktplatz, sondern im Zelt Platz genommen. Dafür werden wir dann auf dem Weg ins Quartier doch noch eingeweicht.
Telefonisch erfahren wir am Abend von Jens, was er zielzeitmäßig von uns am nächsten Tag erwartet. Ein wenig realitätsfremd erscheinen mir die Vorgaben schon, Ute kommt unter 7:30 Stunden und ich unter 6:15 Stunden in Schmiedefeld an. Dafür würden wir dann auch fürstlich von ihm belohnt, dann gäbe es Eier von seinen glücklichen Freiland-Hühnern und einen Kasten Bier nach eigener Wahl. Das Bier bräuchte ich zwar nicht unbedingt, aber den Kasten "müßte" Jens dann nicht trinken und könnte vielleicht wieder klarere Gedanken fassen.
Der Morgen zeigt sich läuferfreundlich - bedeckt und 5°C. Ab 3:30 Uhr kann ich nicht mehr schlafen, eine Stunde später gibt es im Quartier Frühstück. Zu Neunt sitzen wir in der Pension und stopfen uns wortkarg die Brötchen in den Hals. Es sind ca. 30 Minuten Fußmarsch bis zum Startbereich, 5:45 Uhr erreichen wir den Marktplatz und geben unsere Kleiderbeutel ab. Während ein Helfer mit dem Startbogen, der einzustürzen droht, zu kämpfen hat, füllt sich der Block mehr und mehr - knapp 2.600 Läufer tummeln sich hinter der Zeitmeßmatte.
Die Rathausuhr schlägt 6 Uhr, der Hubschrauber kreist über Eisenach, dann der Startschuß und die Massen setzen sich in Bewegung. Auf den ersten 500 Metern bis zum Stadttor hat sich Supermarathon-Neuling Christian Seiler (mehrfacher Gewinner der anderen Rennsteiglaufdistanzen) mit einem weiteren Läufer schon vom übrigen Feld abgesetzt. Es folgt der Anstieg in den Stadtpark, dort schließe ich zu Sören vom CLV Megware auf, wir unterhalten uns u.a. über die gewünschten Zielzeiten und laufen fortan nebeneinander her. Er ist zwar nicht meine "Gewichtsklasse", aber ein schnellerer Läufer motiviert natürlich und vielleicht muß Jens ja doch noch um seinen Kasten Bier bangen.
Also nichts mit einem Genußlauf zwischen 7 und 8 Stunden mit Vollpension an den zahlreichen Verpflegungsständen zum Jubiläumslauf, sondern "knallhartes" Kontrollieren der Zwischenzeiten mit denen von 2010 (damals gab es eine 6:32 im Ziel, die es wenigstens zu unterbieten gilt)! Da mir auch das Wetter in die Karten spielt, muß ich es einfach probieren und gehe Sörens zügiges Tempo mit. An der ersten Getränkestelle am Waldsportplatz nach 7 Kilometern schwitze ich schon so sehr, das ich mir zwei Becher Wasser über den Kopf kippe. Von den fröstelnden Helfern kommt ein freundliches "Heute früh etwa das Duschen vergessen?".
Nach einer kurzen Bergabpassage mündet die Strecke an der Hohen Sonne (km 7,4) auf den Rennsteig. Im Grunde genommen geht es aber die ersten 25,5 Kilometer bis zum Großen Inselsberg so gut wie nur bergauf. Sören mahnt, wir sollten an den Steigungen nicht zu viel Kraft lassen, sondern lieber auf den Geraden etwas mehr beschleunigen. Kilometer 10 wird von uns nach 48:07 Minuten passiert, ich bin 43 Sekunden schneller als vor zwei Jahren. Aber hier wird ja noch nichts entschieden, es sei denn, man ist für seine Verhältnisse zu schnell, was ich für meinen Fall wiederum vermute. Wir unterhalten uns bis zum ersten offiziellen Zwischenzeit-Meßpunkt an der Glasbachwiese (km 17,7) über unsere Zeiten der Vorjahre, mit 1:26:25 Stunden liegen wir noch gut im Rennen.
Bis Kilometer 20 (1:37:09 h) kann ich Sören noch folgen, dann muß ich ihn an einem weiteren Anstieg ziehen lassen, weil ich doch über meine Verhältnisse gelebt habe. Ich überhole ihn zwar nochmal, aber nur weil er seine Schuhe neu schnürt, kurz darauf ist er auch schon wieder vorbei. Auf den folgenden 5 Kilometern hinauf zum Inselsberg verliere ich fast zwei Minuten auf meine 2010er Zeit. Der "Abstieg" zur Grenzwiese ist sehr steil und nur mit Tippelschritten zu meistern. Von hinten kommen immer mehr Läufer an mir vorbei, auch der Bauch meldet jetzt immer intensiver eine Entleerung an - ist das schon der Tiefpunkt oder kommt es noch schlimmer?
Nachdem ich eine zusätzliche Minute und mindestens ein Kilogramm Körpergewicht im Gebüsch am Wegesrand liegengelassen habe, läuft es natürlich wesentlich besser. Bis zur Ebertswiese (km 37,4) benötige ich 3:10:33 Stunden, dort wartet Julianes Freund Thomas, der mich beim "Duschen" fotografiert. Kaum habe ich die Verpflegungsstelle verlassen, da höre ich, wie der Sprecher die erste Frau ankündigt. Nach ca. 41 Kilometer werde ich dann auch von ihr überholt. Ich kann ihr in ihrem Tempo nicht folgen und bin kurz darauf wieder mit mir und dem Vogelgezwitscher allein.
Bis zum Grenzadler (km 54,7) türmt sich die "negative" Zeit immer mehr auf, bei Kilometer 55 (4:51:37 h) sind mit es schon 9:33 Minuten mehr als 2010. Da auch immer mehr Frauen an mir vorbeiziehen, frage ich mich schon, warum ich nicht die Rennsteiglauf- "Wellness"-Variante mit ordentlichen Zwischenmahlzeiten und mit etwas längeren Gesprächen mit den stets freundlichen Helfern an den Imbißständen gewählt habe.
An der Rennsteigbrücke steht Ronald Gasch und feuert mich an, aber so viel geht nicht mehr und ich habe fast keine Motivation mehr. Jetzt folgt nochmal ein längerer Anstieg zum Großen Beerberg, dort wartet mit 974 Metern der höchste Punkt der Strecke. Mit einem hohen Schnitt von 6:15 min/km mache ich sogar erstmals wieder Boden gut. Selbst das wird aber nicht für eine neue Bestzeit reichen, unter den 6:35 Stunden von Jens will ich jedoch unbedingt bleiben.
Nach 5:49:48 Stunden wird an der Schmücke (km 64) meine letzte Zwischenzeit genommen, eine Durchsage verkündet, das der Sieger schon nach 5:10:20 Stunden mit neuem Streckenrekord Schmiedefeld erreicht hat, wer es allerdings ist erfahre ich nicht.
Die letzten Kilometer gehen fast ausschließlich bergab oder gerade dahin, wir sind vier Männer und eine Frau, welche mehr oder weniger zusammen den letzten Abschnitt bestreiten. Die letzte kleine Steigung bei Kilometer 69 sprengt dann unsere "Gruppe" und so kommt es, das ich bis ins Ziel neben Hans Schweitzer vom LC Michelstadt herlaufe, mit dem ich schon beim K78 vor drei Jahren einen Großteil der Strecke bestritten hatte. Er wird sich sicherlich nicht an mich erinnern, denke ich und laufe stumm neben ihm her. Die Wanderer, die sich auf der Strecke befinden machen stets bereitwillig für uns Platz und zollen uns mit Anfeuerungsrufen Respekt.
Das 70er Kilometer-Schild kommt und kommt nicht, etwa noch eine Kurve, nein - wieder nicht, aber dann nach 6:22:14 Stunden lassen wir es rechterhand liegen und gehen in den "Endspurt" über: 4:33 Minuten für den nächsten Kilometer. Da das 72er Schild fehlt, komme ich rechnerisch aus dem Takt und merke erst kurz vor der Zielgasse, das wir ja schon da sind.
Jetzt nur noch ankommen, ich lasse es austrudeln und überquere nach 6:34:42 Stunden die Ziellinie. Mit Medaille um den Hals gehts zur Zielverpflegung, dort wird erstmal der Frust (??) und die Anstrengung mit Cola und Tee hinuntergespült. Als feste Nahrung dienen Apfelstücke. Ich treffe Sören, auch er hatte sich mehr ausgerechnet und dafür bitter bezahlt - 6:27:14 h.
Nachdem ich meinen Kleidersack geholt und mir was Trockenes übergezogen habe, mache ich mich wieder an die Strecke. Ute wollte ja auch ihre Bestzeit aus dem Vorjahr drücken. Ich laufe der Strecke entgegen und einen Kilometer vor dem Ziel nehme ich auf einem Baumstumpf Platz und feuere die ankommenden Supermarathonis an.
Mit langengezogenen Schritten biegt Ute um die Kurve, sie fliegt regelrecht dem Ziel entgegen. Daher kann ich sie auch nur gut 500 Meter begleiten, dann ist bei mir der Saft schon wieder alle. Aber sie schafft es ja auch allein - mit 7:40:03 Stunden ist die alte Bestmarke um fast 15 Minuten pulverisiert! Kurz darauf stehen wir Zwei an der Zielgasse und klatschen uns die Hände wund ...
Bilder findet ihr hier.
Ergebnis Supermarathon Männer: 2.101 Finisher
1. Seiler, Christian (LC Erfurt) - 1.M20 - 5:10:20
2. Stegner, Carsten (TRAIL Magazin) - 1.M35 - 5:26:37
3. Stork, Christian (Team Salomon) - 1.M40 - 5:27:42
4. Charles-Mangeon, Benoit (SG Stern Stuttgart - FRA) - 2.M20 - 5:27:54
5. Bosnjak, Thomas (X Trail Team Austria - AUT) - 2.M35 - 5:33:35
6. Philipp, Anton (Berglaufteam Haglöfs) - 2.M40 - 5:37:05
79. Delling, Thomas (LV Limbach 2000) - 20.M40 - 6:34:42
1.113. Schneider, Mario (LV Limbach 2000) - 295.M45 - 8:30:22
Ergebnis Supermarathon Frauen: 398 Finisher
1. Russ, Karin (MSC Rogner Bau Blumau - AUT) - 1.W35 - 6:21:31
2. Baumann, Katja (Geh-Punkt Weißenburg) - 1.W30 - 6:24:57
3. Schiebel, Gitti (TV Immenstadt) - 1.W35 - 6:29:29
4. Striednig, Ulrike (KLC - AUT) - 1.W50 - 6:32:37
5. Ullrich, Doreen (Uni Jena) - 1.W20 - 6:33:54
6. Staubach, Astrid (LG Vogelsberg) - 1.W40 - 6:35:26
38. Herfurt, Ute (LV Limbach 2000) - 10.W45 - 7:40:03