17.01.2015 - 11:00 Uhr - 42,195 km / 20 Hm+ / 20 Hm-
Das Idealbild beim Mannschaftsmarathon: es herrscht gute Laune und alle sind gleichauf.
Wintermarathon ist soooo schön - meint man, wenn man sich geschlagene dreieinhalb Stunden für die 42 Kilometer Zeit läßt und da es gleich mehrfach Grund zum Feiern gab, hat die Sache wenigstens Spaß gemacht - vermutet der nichteingeweihte Außenstehende. Nichts dergleichen! Heute war (für mich) alles anders - ein brutaler Kampf gegen Untrainiertheit und Übergewicht, da kann auch so ein Marathon mal richtig weh tun.
Der Grund für das Erlebnis des schmerzhaftesten Marathons meiner Laufkarriere liegt schon in der persönlichen Vorbereitung. Während Sven und Sören sich die Trainingseinheiten nur so um die Ohren schlagen, "verschwitze" ich sogar die zwei obligatorischen Vorbereitungswettkämpfe, die sogenannten "Mucki-Checks" in Gera (20 km) und Falkenstein (20,7 km). Doch, was soll's? Ich habe mich ja noch nie so explizit darauf vorbereitet. Nur, (fast) gar nichts gemacht, habe ich auch noch nie!
Es wird schon nicht so schlimm werden, da Sören mehrere Jubiläen zu feiern hat: 200. Wettkampf und 70. Marathon/Ultra (davon 30 Marathonläufe). Im Vorfeld wurde er deshalb dazu verdonnert, den Bollerwagen mit dem Bierkasten und den Snacks zu ziehen. Da ist das Tempo im vernünftigen Rahmen und ich brauch' mir um meinen Trainingszustand keine Sorgen zu machen.
Doch irgendwie haben wir da aneinander vorbeigeredet. Der Bollerwagen fehlt im erweiterten Equipment von Sören und schon beim Warmlaufen schlagen meine zwei Mitstreiter ein ungewohnt hohes Tempo an. Ich täusche daher routiniert eine Pinkelpause vor, um danach meinen eigenen Stiefel laufen zu können. Kurz darauf signalisiert mir meine Uhr "Sie haben ihr Ziel erreicht". Das liegt an der Streckenbegehung vom frühen Morgen, da bin ich nämlich mit Ute die gesamte Marathonrunde schon mal abgelaufen! Nun gut, es war ja nur die achtmal zu durchlaufende 5-km-Schleife, aber für den normalen Wohlstandsbürger ist so ein Spaziergang schon ausreichend, um danach die Beine (wohlverdient) hochzulegen. Ich kann in dieser Situation jedoch nicht die beiden im Stich lassen und muß notgedrungen noch den Marathon mit ihnen zusammen bewältigen.
Meine Bildberichterstattung der vergangenen Jahre gebe ich vorsorglich in die Hände von Ute. Mir erscheint es heute unmöglich von diesem ungleichen Kampf (innerhalb der Mannschaft) auch noch Fotos zu schießen. Für Ute ist dies natürlich auch nicht leicht, da sie nun anderen Leuten rund vier Stunden bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Laufen, zusehen muß. Ihre Achillessehnenverletzung läßt allerdings noch keine sportliche Betätigung wieder zu und so bleibt ihr nur der undankbare Fotografen-Posten.
"Wald- und Wiesensportler" "Yuki-Läuferinnen"
Mit einem Großaufgebot an Laufschuhen haben wir am Morgen die Reise nach Leipzig angetreten. Meine Wahl fiel jedoch (trotz einiger schlammiger Streckenabschnitte) auf den (altersbedingt) profillosen "boost energy". Die Obsoleszenz hat ihm in Form von seitlichen "Belüftungsschlitzen" zwar schon stark zugesetzt und Ute will ihn aufgrund seiner starken Ausdünstung aus hygienischen Gründen auch nicht mehr auf der Rückfahrt dabei haben - seine Tage scheinen also gezählt. Um einem unerlaubten Zugriff (mit verbundener Entsorgung) durch Ute während meiner sportlich bedingten Abwesenheit vorzubeugen, ist er an meinen Füßen in "sicheren Händen". Er läuft sich ja auch verdammt gut und seine Sohlenbeschaffenheit gibt natürlich auch Energie an seinen Träger wieder zurück! So habe ich es zumindest einmal gelesen.
Der Start verschiebt sich gering, da eine Startnummer noch seinen Besitzer sucht (oder umgekehrt). Die betreffende Person kann jedoch nicht ausfindig gemacht werden und so geht es ohne ihn los und die Nummer bleibt beim Sprecher zurück. Eine klare taktische Besprechung über Rennverlauf und Zielzeit gab es in unserer Mannschaft natürlich nicht. Sollte das etwa meine Angelegenheit (als "Kapitän") gewesen sein? Nein, da fehlt mir einfach die Autorität! Ich kann doch, bei meinem derzeitigen Trainingszustand, nicht allen Ernstes "meine" Vorstellungen zum Besten geben. Da lasse ich den zwei "jungen Wilden" mal lieber freie Fahrt. Dementsprechend flott geht es dann auch in die Spur.
Der erste Kilometer wird nach viereinhalb Minuten passiert und so geht es munter weiter. Zwischen 4:26 und 4:39 bewegen sich die Kilometerabschnitte bis zum zweiten Rundendurchlauf. Erst danach ebbt die Euphorie etwas ab und das "Tempo" pegelt sich auf Kilometerzeiten von 4:27 bis 4:50 Minuten ein. Anfang der vierten Schleife beginnen wir mit dem Überrunden der Letzten im Feld. Man grüßt sich und alles scheint im Lot zu sein. Die Uhr zeigt 1:33:27 Stunden beim Rundendurchlauf nach 20 Kilometern an - akzeptabel für unsere kräftemäßig etwas ungleich aufgestellte Truppe!
Der will nicht laufen, der will nur Faxen machen! Kein Mitleid für den Mannschaftskapitän!
Jetzt beginnt bei mir jedoch der rapide Leistungsabbau, eine Runde kann ich dabei noch "beißen" und mich so ins "Ziel", dem 5-km-Rundendurchlauf und Verpflegungspunkt retten. Ich minimiere meine Trinkration auf einen Becher und begebe mich schon mal allein in die sechste Schleife. Sven und Sören laben sich derweil etwas ausführlicher und werden mich nach rund 500 Metern wieder einholen. Danach hechle ich den beiden wieder mit immer größer werdenden Abstand hinterher. Keine Chance - die Alphatiere gehen ihren Weg, der Schwächere bleibt hilflos zurück! Im stark verschlammten Abschnitt der "Nonne" vergrößert sich die Distanz zwischen uns noch mehr, da ich mit meinem Balletschuh-Profil gar keinen Zugriff auf den Untergrund habe. Anfangs konnte ich dies mit erhöhtem Kraftaufwand noch kompensieren, aber jetzt sind diese Reserven aufgebraucht.
Was um mich herum passiert, bekomme ich nur noch zum Teil mit. Ich muß hier einen Aufwand betreiben, als wolle ich Bestzeit laufen. An Gesprächen beteilige ich mich nur noch mit Handzeichen oder kurzen, schwer verständlichen Wortfetzen. Meine Atmung übertönt zudem den Dialog von Sven und Sören, wenn ich denn mal wieder in deren Nähe bin. Mittlerweile steht auch schon eine sichere "Fünf" vor den Zwischenzeiten und es droht der Totaleinbruch.
Am Verpflegungspunkt angelangt, sind es dann nur noch 12,2 Kilometer, also "50 Minuten", laut Sörens Rechnung und Motivationskunst - die Uhr zeigt 2:23:03 Stunden an und sein Wunsch von unter dreieinviertel Stunden somit im Bereich des Machbaren. Nur habe ich auf den letzten Runden das Tempo nicht so verschleppt, um am Ende nochmal einen Vier-Minuten-Schnitt auszupacken! Ich würde Sören jetzt am liebsten das Rechnen mit einem Sechser Schnitt empfehlen, mir fehlt es jedoch an Redebedarf und so wird Runde sieben mit 26:10 Minuten "abgewandert".
Beschallung satt an der Pferderennbahn. Mit unserer 2014er Zielzeit bei Kilometer 40.
Noch eine große Runde und die Wendeschleife sind zu absolvieren. Es sind noch 40 Minuten bis zur 3:30er Zielzeit - das müßte machbar sein! Meine Oberschenkel drohen jedoch mit Verkrampfung, also wird der Abstand zwischen uns immer größer. Auf dem rund anderthalb Kilometer langen Straßenabschnitt in der "Nonne" hilft mir ein von hinten kommender Läufer den Anschluß zu Sven und Sören wieder herzustellen. Ich gehe sein Tempo mit und wir nähern uns Stück für Stück den Abtrünnigen. Am 4/9/14/19/24/29/34/39-km-Schild fragt er mich dann bei welcher Zahl ich jetzt wäre und es entwickelt sich ein kurzer Dialog. Kurz darauf ist unsere Mannschaft wieder auf Augenhöhe und der Rundendurchlauf wird nach 3:16:32 Stunden passiert - das war die Zielzeit vor einem Jahr in gleicher Besetzung!
Jetzt gilt es aber nicht in Nostalgie zu verfallen, jetzt muß "schnellstmöglich" die Sache hier beendet werden. Auf dem Rückweg vom Wendepunkt sondiert Sören die entgegenkommenden Läuferscharen: Wer hat hier noch die große Runde vor sich und wer ist uns dicht auf den Fersen? "Wollen wir unseren Platz noch behalten?", fragt er mich dann völlig deplaziert. "Jndfvghnmgh!", meine klare Antwort und so muß ich mir und meinen Beinen nochmal weh tun. Mein Laufstil ist jedoch so unrund wie die persönliche Statistik zum heutigen Jubiläumslauf von Sören: mein 318. Wettkampf seit 2007 und mein 22. Marathon seit 2008.
Noch rund ein Kilometer und Sörens Schulterblick sichert den Abstand zu unseren Verfolgern erfolgreich ab. Endlich der Zieleinlauf - im Block - alle die gleiche Zeit! Danach kommen die Mannschaften wie geschnitten Brot herein - Minimalziel erreicht! Ich bedanke mich brav bei Sören und Sven für ihre Geduld, die sie mit mir hatten. Sie hätten sich auch erkälten können, bei meinem Wandertempo auf den letzten Runden! Eine völlig ungewohnte Rolle bei meinem vierten Wintermarathon - eine bittere Lehr"stunde", die hoffentlich Spuren hinterläßt. Morgen ist Sonntag, da steht die "schnelle Trainingseinheit" mit U3h-Legende Jens Mende auf dem Programm - der Beginn einer neuen Zeitrechnung im Laufsport???
Ergebnis Männer: 33 Mannschaften im Ziel
1. Der unsichtbare Dritte - 2:51:27 h
2. Die Eiseiligen - 2:51:48 h
3. TV 1848 Coburg - 3:03:04 h
4. Mittelsachsen - 3:15:31 h
5. Dienstagsläufer - 3:23:36 h
6. Die Findlinge - 3:25:30 h
7. Wald- und Wiesensportler - 3:27:46 h
Die Sieger "Der unsichtbare Dritte" und die Mixedsieger "Pfeil und Bogen" mit sichtbarem vierten Läufer.
Ergebnis Frauen: 6 Mannschaften im Ziel
1. SchnickSchnackSchnuck - 3:30:32 h
2. KCC Keep Cool and Carry on - 3:44:49 h
3. Yuki-Läuferinnen - 4:07:46 h
4. Flinke Vogtlandmiezen - 4:09:07 h
5. Auewaldhexen - 426:17 h
6. PIA-Plus - 4:38:17 h
Ergebnis Mixed: 27 Mannschaften im Ziel
1. Pfeil und Bogen - 3:16:59 h
2. Die Schönen und das Biest - 3:21:04 h
3. Trail Trio Dresden - 3:28:58 h
4. Eisvögel Havel-Pleiße - 3:32:53 h
5. Die 5er Schnitten - 3:40:53 h
6. Dresdner Trolle - 3:45:51 h
Veranstalterseite: www.wintermarathon.de